Thalia Tattoni reist nach ihrem Schulabschluss durch die Welt. Durch Vietnam fährt sie 2000 Kilometer auf dem Motorroller. Mitten im Niemansland muss sie anhalten - und gerät in einen wütenden Protest. Ein Sonntag im April in Vietnam. Ich fahre mit meinem Roller von der Metropole Hannoi nach Süden. Es ist ein regnerischer Tag und die endlosen Landstraßen führen mich mitten durchs Nichts. Kurz hinter Vinh, einer 200.000-Einwohner-Stadt nahe der Küste, dann auf einmal Stau. Die Straße ist blockiert. Es ist kein Unfall. Endlos reihen sich Reisebusse, Motorroller und Autos die windige Straße entlang. Ein Mann kreuzt die Arme vor sich, als ich versuche mich mit meinem Roller zwischen den Autos hindurch zu schlängeln. Die Straße ist blockiert, vielleicht ein Unfall? Als ich den Anfang erreiche, bietet sich ein ganz anderes Bild. 150 Fischer haben mitten auf dem Highway eine Blockade aus Fischernetzen und Autos errichtet. 24 Stunden soll diese anhalten, erfahre ich von einem Busfahrer. Der Grund? Der taiwanesische Chemiekonzern Farmosa Plastic Groups, der in Mittel- und Nordvietnam Kunststoffe produziert. Bei der Produktion sollen toxische Chemikalien im Meer landen. Sie sorgen dafür, dass unzählige Fische sterben. Die Fischer im Dorf verlieren so ihre Lebensgrundlage. „Es wird sich niemals etwas ändern. Formosa hat Geld und die vietnamesische Regierung ist korrupt“, erzählt eine Frau, die mich in ihr Auto einlädt, damit ich dem Regen für einen Moment entkommen kann. Ich nähere mich der Blockade. Demonstranten werfen Steine. Eigentlich lernt man als Tourist, dass man sich in einer fremden Umgebung aus politischen Konflikten besser raushalten soll. Doch wie geht man damit um, wenn man auf einmal mitten drin steckt? Nach drei endlosen Stunden wage ich erneut einen Versuch und kurve mit meinem Roller zwischen den Autos nach vorne. Dabei treffe ich zwei andere Deutsche – ebenfalls mit dem Motorrad unterwegs. Gemeinsam nähern wir uns der Blockade und prompt fangen einzelne Demonstranten an uns mit Steinen zu bewerfen. Es entsteht ein Streit darüber, ob wir passieren dürfen oder nicht. Schließlich winken uns ein paar Vietnamesen durch. Wir dürfen als Einzige passieren! Vielleicht wittern sie in uns Touristen die Chance auf sich aufmerksam zu machen. Als sie unsere Kameras erblicken, reißen viele ihre Schilder hoch. Zitternd lenke ich meinen Roller durch die Menschenmasse. Am Ende bin ich heilfroh, als ich der Situation sicher entkommen bin. Was sagt der Chemiekonzern zu den Vorwürfen? Als ich Tage später wieder Internet habe, nehme ich Kontakt mit Formosa auf, dem Chemiekonzern aus Taiwan. Ich frage nach den betroffenen Fischern und bitte um eine Stellungnahme. Keine Antwort. Auf einer Nachrichtenseite erfahre ich, dass der Konzern 2016 rund 500 Millionen Dollar Entschädigungen gezahlt haben soll. Für die Fischer hat sich aber offenbar nicht viel geändert. Traurig aber wahr: Menschen aus dem Westen werden bevorzugt. Mein Tipp für Euch: Solltet ihr auf eurer Reise in eine politische Demonstration oder Unruhen geraten, haltet euch fern. Wenn es nicht anders geht, sucht nach Einheimischen, die Englisch sprechen. Verhaltet euch unauffällig. Falls Polizei vor Ort ist, wendet euch an diese. Es ist traurig aber wahr: Menschen aus dem Westen werden oft bevorzugt, da Tourismus in vielen Ländern die größte Einnahmequelle ist und man kein schlechtes Image für das Land will. Ich hatte wohl eine gehörige Portion Glück – das Ganze hätte auch schlimmer enden können.