Während Deutschland den elektronischen Personalausweis verschmäht, ist eGovernment in Dänemark längst Alltag. Das Leben mit der digitalen Identität hat viele Vorteile – doch der Staat sieht alles. Das neue Semester in Dänemark beginnt und für den Studenten Zoran Leković wird es Zeit, sich für einen Master zu bewerben. Er öffnet borger.dk, die Website der dänischen Verwaltung. Klick. Er loggt sich ein. Klick. Und kann sich nun für alle Masterprogramme in ganz Dänemark bewerben. Mit einem weiteren Klick. https://www.youtube.com/watch?v=dpsZWZL90Yk „Früher musste man die Bewerbung für den Studiengang noch schriftlich für jede Uni einzeln einreichen, heute geht die Anmeldung komplett online über NemID“, sagt er. Acht von zehn Dänen nutzen die elektronische Identität NemID? Das ist die dänische Antwort auf den elektronischen Personalausweis. Während in Deutschland nur ungefähr 2,5 Millionen Bürger den digitalen Perso haben, um sich online bei Behörden auszuweisen oder im Internet einzukaufen, nutzen fast fünf der knapp sechs Millionen Dänen die NemID. Ein Vorteil ist, dass in Dänemark viele öffentliche und private Dienste bereits mit der NemID verknüpft sind. Vom Arzttermin bis zum Studium – alles lässt sich über die NemID regeln. Zum einen erspart man sich so das lästige Anmelden auf jeder einzelnen Webseite. Andererseits macht es diese Dienste auch sicherer. Die NemID besteht nämlich aus drei Komponenten: einer Identifikationsnummer, einem Passwort und einer Schlüsselkarte. Die Schlüsselkarte ist ein kleiner Zettel mit verschiedenen Zahlenkombinationen – ähnlich wie die TAN-Liste in Deutschland. Bei jedem Einloggen wird man nach einem bestimmten Zahlencode gefragt (s. Foto). Ein kleiner Nachteil, so dauert das Einloggen etwas länger. „Besser für die Umwelt, da weniger Papier verwendet wird“ Zoran kann sich nicht genau erinnern, wann er seine NemID bekommen hat – weiß aber noch, dass er es hauptsächlich wegen seiner Bank gemacht hatte. „Sie meinten, es sei einfacher und besser für die Umwelt, da weniger Papier verwendet wird“, sagt er. „Und sie hatten Recht, es ist einfacher. Und es geht auch viel schneller als zur Bank zu gehen.“ Außerdem bekommt Zoran die Post, die an seinen Heimatort adressiert ist, jetzt auch online – über die sogenannte Digital Post. Anstelle von analogen Briefen wird alles Offizielle, wie Informationen von der Stadt, vom Krankenhaus oder der dänischen Steuerbehörde, an den Mailservice von Zoran bei NemID geschickt. Und auch wenn Zoran Studienförderung beantragt, würde die Kommunikation komplett über diese Mailadresse laufen. Die dänische Version von BAföG lässt sich auch über die NemID beantragen. Nach dem Einloggen bestätigt man nur die Universität, an der man studiert. Dann noch ein paar Informationen in ein Onlineformular füllen und fertig. Zoran muss weder PDF-Dateien herunterladen, noch Briefe verschicken. Datenschutz? „Habe ich noch nicht drüber nachgedacht“ An diesem Punkt zeigt sich ein Nachteil der NemID. Alle persönlichen Informationen sind an einem Ort gebündelt. Beim Einloggen um Studienunterstützung zu beantragen ist die Universität an der man studiert bereits vorausgewählt – inklusive Studienbeginn und Studienende. Was praktisch und eine Zeitersparnis ist, kann auch seine Nachteile haben. So ist zum Beispiel auch die Sozialversicherungsnummer mit der NemID verbunden. Zoran selber hat zwar noch nie seine NemID benutzt um einen Arzttermin zu buchen. Die Möglichkeit dafür gibt es allerdings. Nach dem einloggen ist die Sozialversicherungsnummer dann bereits fest eingetragen, frei auswählen lässt sich noch der gewünschte Zeitpunkt für den Termin. Eine genaue Übersicht über die letzten Arztbesuche, Informationen zum derzeitigen Studienort oder Arbeitgeber und das verbunden mit Privatadresse und Bankkonto, alles in einem System, das von der dänischen Regierung gebaut wurde und für jeden Dänen ab 15 Jahren verfügbar ist. Was sagt er zum Thema Datenschutz? „Darüber habe ich noch nicht genau nachgedacht“, meint Zoran. Er hätte aber auch nichts zu verbergen. „Die Regierung weiß schon vieles über uns. Solange man kein Drogendealer ist, sollte man kein Problem haben.“ Vielmehr denkt Zoran an die Zeitersparnis, die er durch die NemID hat. Am deutlichsten lässt sich diese Zeitersparnis beim Umzug zeigen. In Deutschland müsste Zoran spätestens nach zwei Wochen persönlich zum Einwohnermeldeamt gehen. Personalausweis, Meldeformular und die sogenannte Wohnungsgeberbestätigung muss er dann dabei haben. Hinzu kommen dann auch die Wartezeiten im Meldeamt und die Anpassung an behördliche Öffnungszeiten. Wann kommt die digitale Verwaltung nach Deutschland? In Dänemark kann Zoran das Ganze innerhalb von zehn Minuten erledigen. Eingeloggt mit der NemID kann er seine neue Adresse angeben, einen neuen Arzt vor Ort wählen und ist fertig. „Es ist wirklich nem“, meint Zoran. „Nem“ ist dänisch für einfach. Aber auch durch diese Zeitersparnis und das wohl bei manchen bitterlich ersehnte Wegfallen von Behördengängen, würde es die NemID schwer in Deutschland haben. Datenschützer in Deutschland kritisieren bereits jetzt, dass der elektronische Personalausweis bald automatisch freigeschaltet werden soll.