Die Rasierer-Hersteller Gillette und Wilkinson kreuzen vor dem Düsseldorfer Landgericht die Klingen. Es geht um das Patentrecht für preisgünstige Ersatzklingen eines weit verbreiteten Nassrasierers. (Artikel von Handelsblatt Online) Er war mal eine Neuheit: 1998 warb Gillette für seinen neuen Nassrasierer Mach 3 mit Düsenpiloten. Quasi in dreifacher Schallgeschwindigkeit sollte der Dreiklingenrasierer über die Haut hinwegfliegen. Jetzt, fast 20 Jahre später, fordert ausgerechnet Erzrivale Wilkinson den Marktführer heraus: Der Wilkinson-Mutterkonzern hat Nachahmerklingen auf den Markt gebracht, die auf den Mach3-Rasierer passen. In Deutschland hängen die billigen Kopien unter anderem bei Rossmann. Es geht um viel Geld Das Bild liegt nahe: Wilkinson und Gillette kreuzen die Klingen. Vor dem Landgericht Düsseldorf klagt die Gillette-Mutter Procter & Gamble (P&G). Der Konzern meint, dass seine Klingen noch immer patentgeschützt seien, also von niemand anderem nachgemacht werden dürften. Edgewell hält dagegen. Am Dienstag begann der Prozess, der sich einige Monate hinziehen könnte. „Wir haben sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass wir uns wehren, wenn Edgewell oder ein anderes Unternehmen unsere Patente verletzt und tun, was nötig ist, um unsere Rechte zu wahren“, hieß es von Procter & Gamble. Wilkinson wies die Vorwürfe zurück: „Wir sind davon überzeugt, dass die Vorwürfe von P&G jeder Grundlage entbehren.“ Ein Beitrag geteilt von Gillette (@gillette) am 14. Dez 2016 um 13:32 Uhr Es geht um viel Geld. 650 Millionen Dollar geben Verbraucher laut Schätzungen der „Lebensmittel Zeitung“ weltweit im Jahr für Mach3-Klingen aus, davon 75 Millionen in Deutschland. Nicht einmal ein Jahr nach Markteinführung will Edgewell in den USA bereits 15 Prozent davon zu sich herübergezogen haben. Der Nassrasierer-Markt lockt. Gillette und Wilkinson haben aus der einst austauschbaren einfachen Rasierklinge mit Hilfe teurer Werbekampagnen Markenartikel gemacht, für die Männer vergleichsweise viel Geld ausgeben. Doch dabei haben sie übertrieben – und so Raum für Alternativen geöffnet. Nivea will einsteigen Dass ein Konkurrent direkt Klingen für ein bestehendes Produkt entwickelt, ist dabei ungewöhnlich. Aber es gibt am Markt zahlreiche No-Name-Produkte, wie sie auch Edgewell neben seiner Marke Wilkinson über Händler weltweit vertreibt. Rossmann setzt beispielsweise wie Edeka Mehrklingensysteme des großen südkoreanischen Herstellers Dorco ein. Andere große Hersteller sind das 135 Jahre alte Unternehmen Personna aus Japan und Supermax aus Indien mit weltweiter Präsenz. Auch ein deutscher Konzern will den Markt verändern: Beiersdorf hat bereits Damen-Rasierer der Marke Nivea in die deutsche und österreichische Drogerien gebracht. Wenn das Unternehmen eine hautfreundliche Variante entwickeln kann, soll auch ein Herren-Rasierer von Nivea folgen. Ein Beitrag geteilt von 💕 Lilie (@liliethebox) am 3. Jul 2017 um 7:41 Uhr Klar ist: Die Markenhersteller kämpfen um ihre Gewinne. Nach Angaben einer Düsseldorfer Justizsprecherin hält Wilkinson im aktuellen Fall das Gillette-Patent für unwirksam. Das Unternehmen habe beim zuständigen Patentgericht in München kürzlich eine entsprechende Klage erhoben. Ein Patent kann für nichtig erklärt werden, wenn die „Erfindungshöhe“ nicht ausreicht. Das muss das Landgericht Düsseldorf nun prüfen. Wirtschaftsexperten wie Michael Stephan von der Universität Marburg beobachten, dass Patente in den vergangenen Jahren immer mehr von einem Schutzschild zu einer strategischen Waffe im Wettbewerb geworden sind. Selbst vergleichsweise simple Produkte wie eben Nassrasierer würden inzwischen von einem regelrechten „Patentdickicht“ umgeben. 35 Patente für den „Mach3 Turbo“ Allein für den „Mach3 Turbo“ habe Gillette 35 Patente angemeldet, berichtet der Wissenschaftler. Das reiche von der Schnittstelle für die Verbindung zwischen Klinge und Schaft über den Neigungswinkel der Klingen bis zur Verpackung. Die Unternehmen versuchten dadurch starke Schutzschilde für die eigenen Produkte aufzubauen. Allerdings laufe das umstrittene Patent sowieso im Februar 2018 aus, sagte eine Gerichtssprecherin. Etliche Männer reagieren auf die teuren Manöver übrigens mit einem Gegentrend: Die Hersteller von klassischen Rasierhobeln aus Metall und Rasiermessern wie Dovo/Merkur in Solingen erleben seit einigen Jahren einen unverhofften Aufschwung. Liebhaber erklären die 100 Jahre alte Technik zum wahren Rasiererlebnis – und brauchen dafür nur die simple alte Wechselklinge oder einen Lederriemen zum Schärfen des Messers. Der Autor: Christoph Kapalschinski hat Politik, Volkswirtschaft und Journalistik studiert und an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten volontiert. Als Handelsblatt-Redakteur schreibt er über die Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie.