Der technische Fortschritt erreicht das Bett: Revolutionieren Roboter bald unser Sexleben? Ein Essay. In der Grundschule erklärten uns Peter, Ida und Minimum in einem quietschbunten Aufklärungsfilm, wie die Babys gemacht werden. Damals versteckte man noch beschämt den knallroten Kopf unterm Tisch, kicherte bei dem Wort "Penis" und zog angeekelt eine Schnute, wenn Mama und Papa sich zärtlich küssten. In der Pubertät dann kamen das Kribbeln und die Neugier: der erste Kuss, der erste heimliche Porno, das erste Mal. Und jetzt kommt die „Foundation for Responsible Robots“ (FRR) mit ihrem neuen Report und beschreiben mal eben die „Zukunft des Sex“, die alles kann – nur kein Gefühl: Sex-Roboter schleichen sich nach und nach unter unsere Bettdecken, schreiben die Analysten. Sind bald all unsere behutsam gesammelten Erfahrungen überholt? Große Brüste, schmale Taille, praller Hintern Weltweit gibt es nur vier Hersteller, die sogenannte RealDolls anbieten. Ihre Körper sind inspiriert von der Pornoindustrie: große Brüste, schmale Taille, praller Hintern. Ihre Haut fühlt sich angeblich täuschend echt an – und soll bei einem Klaps auf den Po sogar so klingen. Doch jeder, der schonmal einen Junggesellenabschied auf Mallorca gesehen hat, weiß: Sexpuppen gibt es doch schon lange! Neuerdings aber mit dem gewissen Etwas: Denn die Roboter schauen nicht nur dumm aus der Wäsche, nein, sie bewegen sich, geben Antwort und sind nach Belieben sogar mit einem Charakter ausgestattet. Künstliche Intelligenz zur Befriedigung der menschlichen Lust. https://www.instagram.com/p/BSh1cvlAfoT/?tagged=sexrobot Das ist so absurd wie es klingt. Seitdem ich den Hollywood-Streifen "iRobot" gesehen habe, macht mir die Vorstellung Angst, mechanische Wesen in unserer Welt zu etablieren. Doch Umfragen zufolge soll es für die Sex-Maschinen durchaus Abnehmer geben. Nach Angaben des Roboter-Reports können sich zwischen neun und 66 Prozent der Männer vorstellen, mit einer Menschmaschine zu schlafen – je nach Befragung gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Das Interesse der Frauen war ähnlich hoch. Sex-Roboter gibt's übrigens auch für Frauen Mit "Liebe machen" hat das dann allerdings nichts mehr zu tun. Nicht nur fehlt die erregende Wärme des Partners, der heiße Atem auf der Haut, das Pochen des Herzens. Es fehlt vor allem an Gefühl. Sex stillt schließlich nicht nur ein körperliches Bedürfnis, sondern auch das Verlangen, "begehrt zu werden". The best robots could do is ‘fake it’ and this will not be like the full presence and engagement required for ‘complete sex’ in which we desire to be desired. - aus dem Bericht des FRR Geht es nur darum, den reinen Trieb zu befriedigen, mögen die RealDolls – die es übrigens auch in männlicher Form gibt – eine gute Alternative sein. Doch auf Dauer machen sie wohl niemanden glücklich. Im schlimmsten Fall führen sie zum Realitätsverlust und lassen ihre Besitzer vereinsamen. Gefangen in einer virtuellen Beziehung und abgeschnitten vom sozialen Umfeld. Das puppenhafte Ebenbild des Partners für die Fernbeziehung Für ältere Menschen, Behinderte und solche, die traumatische Erfahrungen mit Sex gemacht haben, sind die Puppen laut Experten eine Möglichkeit, ihre Lust auszuleben – oder sich langsam wieder an Geschlechtsverkehr heranzutasten. Funktioniert das wirklich und wird das Angebot angenommen, wäre das klasse. Denn Sex macht erwiesenermaßen glücklich und ist gesund. Diese Erfahrung zu machen sollte nicht allein daran scheitern, dass man keinen (bereit)willigen Partner findet. https://twitter.com/Tytheguitarhero/status/822976526832586752 Die Entwickler der Sex-Roboter wollen sogar noch weiter gehen. Es ist wahrscheinlich, dass es in naher Zukunft RealDolls gibt, die optisch dem Partner nachempfunden sind. Das sei eine Möglichkeit, das Feuer in einer Fernbeziehung am lodern zu halten: Man könne virtuellen Sex mit dem Partner haben und sogar durch den Mund der Puppe kommunizieren. Doch rettet oder gefährdet das solche Beziehungen? Je nachdem, wie weit die Technik fortschreitet und je nachdem wie lebensecht die Puppen werden, stellt sich das Gefühl und die Frage ein: Ist das schon fremdgehen? Schließlich sind die Roboter, sobald sie eine Persönlichkeit bekommen, doch längst mehr als ein Sexspielzeug. Und was ist mit der Emanzipation? Könnten die Puppen laufen, gingen sie drei Schritte zurück. Weg von dem, für das man jahrelang mühsam gekämpft hat. Jahrzehnte unserer Geschichte sind fett mit dem Ziel "Emanzipation" überschrieben. Dem Versuch, die Frau aus dem Schatten des Mannes zu ziehen. Dem Bemühen, den Männern klarzumachen, dass eine Frau kein Haushaltsgegenstand ist. Dem Streben, ihnen klarzumachen, dass die Frau ihrem Ehemann nicht gehört. Mit den RealDolls schmeißt man all das wie ein benutztes Kondom in die Tonne. Sie bilden die Frau erneut ab als reine fleischliche Hülle, die dem Mann willenlos unterworfen und hörig ist. Die man nach Belieben einsetzen oder in eine Ecke stellen kann. Reduzieren das weibliche Geschlecht auf das Mindere: ihren Körper. Andersherum gilt das natürlich ebenso, Emanzipation gibt es bei beiden Geschlechtern. Die Gefahren der Sex-Roboter Viel erschreckender als die ethische Fragwürdigkeit der Sex-Roboter ist jedoch das Marktangebot selbst. So gibt es tatsächlich Puppen wie "Frigid Farah", die im Katalog als "reserviert und schüchtern" beschrieben ist. Berühre man sie zwischen den Beinen oder an ihren Brüsten, reagiere sie mit Ablehnung. Der Besitzer geilt sich also an dem Gefühl der Dominanz auf. Das kommt dem Spaß an einer Vergewaltigung gefährlich nah. https://www.instagram.com/p/BP_qTWXD1qz In Japan verkauft der Sex-Puppen-Hersteller Trottla sogar Roboter mit dem Körper minderjähriger Schulmädchen. Sie richtet sich damit absichtlich an Pädophile. Der Gründer der Firma Shin Takagi bekennt sich selbst zu seinen pädophilen Fantasien und rühmt sich damit, dank der Kinderpuppen noch nie ein echtes Kind angefasst zu haben. Funktioniert das Prinzip wirklich und schützt Kinder vor Triebtätern, dann bitte: Verteilt diese Puppen am Straßenrand. Doch ich fürchte, dass die Dinger viele Menschen eher animieren und gefährliche Lust auf Missbrauch und Vergewaltigung schüren könnten. Wie menschlich darf eine Maschine sein? Vor fünf Jahren definierte der japanische Roboter Masahiro Mori den Begriff des "Uncanny Valley". Er besagt, dass wir einen Roboter eben nicht immer mehr akzeptieren je menschenähnlicher er ist. Ab einem gewissen Grad wirke die Maschine gruselig auf uns, dann sei uns ein offensichtlich unrealistischer Roboter sogar lieber. Dieser Zustand ändert sich mit zunehmender Menschlichkeit erst dann wieder, wenn die Figur so realistisch ist, dass man sie kaum noch von dem Menschen unterscheiden kann. Vielleicht ist dieses psychologische Phänomen das, was uns davor bewahrt, im Bett wortwörtlich zu verkühlen.