Eine Realschule am Tegernsee bietet das Wahlfach „Dahoam“ an. Auf dem Lehrplan: Bayrische Literatur und Schweinebraten. Stefan Ambrosi liegt seine Heimat am Herzen. Seine Liebe zu Bayern ist so groß, dass der 55-Jährige möglichst viele damit anstecken will. Ambrosi ist Schulleiter – und ein ziemlich pragmatischer Typ. Und so schuf er an seiner Realschule in Gmund am Tegernsee kurzerhand ein neues Fach: „Dahoam“. Auf Hochdeutsch würde man es am ehesten mit „Heimatkunde“ übersetzen. 15 Schüler aus den Stufen 5 bis 9 lernen bei Stefan Ambrosi zurzeit alles über bayrische Tradition und Kultur. Noten gibt es dafür nicht, das Fach ist freiwillig. Insgesamt gehen 610 Schüler auf die Realschule Gmund. Herr Ambrosi, als Nicht-Bayer denkt man bei bayrischer Kultur erstmal an Oktoberfest und Weißbier. Was lernen Ihre Schüler im Fach „Dahoam“? Zum Teil befassen wir uns mit bayrischer Literatur. Da gibt es Standartautoren wie Ludwig Thoma mit seinen „Lausbubengeschichten“. Der Autor hatte leider in seiner letzten Lebensphase auch eine judenfeindliche Einstellung. Das besprechen wir dann im Unterricht kritisch. Aber wir machen auch mal Schweinebraten, ein Klassiker der bayrischen Küche. Der Schweinebraten ist also die Belohnung fürs Lesen? Die Schüler lernen ja nicht nur Literatur in meinem Fach. Wir spielen auch bayrische Kartenspiele zusammen, etwa Schafkopf. Wie geht das denn? Schafkopf ist vergleichbar mit Skat, also ein eher kompliziertes Kartenspiel. Es wird mit vier Spielern gespielt, jeder bekommt acht Karten. Das Spiel ist Tradition. Ein Jugendlicher in Bayern sollte es einfach können. Schweinebraten und bayrische Kartenspiele. Da fehlt nur noch der Dialekt! Mundart lernen meine Schüler natürlich auch. Zum Beispiel die bayrischen Wochentage. Früher wurde in Bayern der Donnerstag „Pfinster“ genannt, der fünfte Tag. Das lässt sich auf Pfingsten zurückführen, das ja 50 Tage nach Ostern stattfindet. Interessieren sich junge Menschen überhaupt noch für bayrische Traditionen? Hier in der Umgebung ja, weil hier die Trachtenvereine sehr aktiv sind und viele Jugendliche da dabei sind. Ich stelle auch fest, dass es hier aktuell viel Popmusik in Mundart gibt, die auch Jugendliche hören. Dadurch kommen sie mit dem Dialekt stark in Kontakt. Wie kamen Sie auf die Idee für das Wahlfach? Ich hatte an den Schulen, auf denen ich früher unterrichtete, mal Volkstanz-Unterricht gegeben. Dabei merkte ich, dass sich die Schüler durchaus für ihre Heimat interessieren. Die Pflichtfächer befassen sich nicht oft mit dem Thema, wobei es natürlich auch wichtigeres gibt. +++ Außerdem bei Orange: Lieber FC Bayern, ich hätte da mal ein paar Fragen… +++ Ist es in Zeiten von teils gefährlichem Nationalstolz und gleichzeitig großen Fluchtbewegungen nicht ein wenig rückständig, bayrische Kultur zu vermitteln? Nein, glaube ich nicht. Es sind auch nicht alle meine Schüler aus Bayern und es geht auch nicht darum, auf Nicht-Bayern herabzublicken. Es geht eher darum, sich mit seinen kulturellen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Was wird in zwanzig Jahren aus meiner Heimat? Ich denke, das ist eine Frage, die alle beschäftigt, auch die, die neu hergezogen sind. Was ist für die Schüler Heimat? Es ist nicht unbedingt so, dass Heimat gleich Bayern sein muss. Ich habe meine Schüler Gedichte schreiben lassen. Aus ihnen kann ich erkennen, dass Heimat vor allem sehr viel mit Familie zu tun hat, mit Zusammenhalt, Sicherheit und Freundschaft. Was könnte das Fach für den späteren Berufsweg bringen? Ach, da bin ich mir jetzt nicht so sicher. Ob jetzt Schweinsbraten, Bräuche und Gespräche über bayrische Literatur eine berufsspezifische Vorbereitung sind, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass mein Fach ein wenig zur Allgemeinbildung beiträgt. Herr Ambrosi, vielen Dank für das Interview.