Jede zweite neue Stelle in Deutschland ist befristet, die meisten dieser Verträge haben eine Laufzeit von weniger als einem Jahr – vor allem bei jungen Menschen. Drei Branchen sind besonders betroffen. Fast jedes deutsche Medium berichtet am heutigen Mittwoch über Arbeitsverträge, denn es gibt neue Zahlen: 45 Prozent der neu eingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat im vergangenen Jahr nur einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Das geht aus einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine schriftliche Frage der Grünen hervor. Die „Rheinische Post“ hatte zuerst darüber berichtet, wir haben uns die Originalantwort beim Arbeitsministerium besorgt. Du findest sie hier als PDF. Was ist neu? 2016 gab es in Deutschland - ohne Auszubildende und Mini-Jobber - rund 3,65 Millionen sozialversicherungspflichtige Neueinstellungen. "Hiervon waren rund 45 Prozent, also etwa 1,6 Millionen Stellen, befristet", heißt es in dem Papier des Arbeitsministeriums. Es beruht auf der Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das ist eine Befragung bei deutschen Unternehmen, aufgrund der dann die neuen Stellen hochgerechnet werden. Seit 2010 liegt der Anteil der befristeten neuen Jobs bei um die 45 Prozent, insofern hat sich da in den vergangenen Jahren insgesamt nicht viel verändert. Neu ist aber, dass mittlerweile fast jeder fünfte Mensch zwischen 25 und 34 Jahren aktuell mit einem befristeten Vertrag arbeitet. Vor 20 Jahren war es nur jeder Zehnte in dieser Altersklasse. Warum dürfen Unternehmen überhaupt befristete Verträge anbieten? Falls du schon den Wahl-O-Mat gemacht hast, kennst du dieses Wort vielleicht schon: Die sogenannte sachgrundlose Befristung erlaubt es Unternehmen in Deutschland, die Arbeitsverträge für neue Mitarbeiter ohne Angabe von Gründen innerhalb von maximal zwei Jahren zu befristen. SPD, Grüne und Linke haben im Bundestagswahlkampf angekündigt, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen. Union und FDP lehnen das ab. Die Arbeitgeber argumentieren, sie könnten dank der Regel auf wechselnde Auftragslagen reagieren. Ohne sie müssten die Unternehmen noch stärker auf Zeitarbeit zurückgreifen. In welchen Branchen sind neue Jobs vor allem befristet? Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind das die drei Top-Branchen für befristete Neueinstellungen: Erziehung und Unterricht: unter anderem Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen Gesundheits- und Sozialwesen: zum Beispiel Sozialarbeiter, Pfleger, Ärzte Öffentliche Verwaltung: beispielsweise Sachbearbeiter in städtischen Behörden Wie viele Arbeitsverträge sind in Deutschland insgesamt befristet? Neun Prozent der Arbeitsverträge in Deutschland hatten 2016 eine Befristung. Das teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch in der Präsentation „Qualität der Arbeit“ mit. Konkret: 2,8 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 25 Jahre waren in ihrer Haupttätigkeit befristet beschäftigt. Die meisten von ihnen (57 Prozent) besaßen einen Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. Unterscheidet sich die Befristung bei Männern und Frauen? Die Befristungsquote von Frauen mit 8,9 Prozent und Männern mit 8,2 Prozent unterscheidet sich im Vergleich zu früher nicht mehr so stark. Vor 25 Jahren fiel der Unterschied noch größer aus: 1991 waren 6,9 Prozent der Frauen und 5,2 Prozent der Männer in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Haben Menschen in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schlechtere Arbeitsverträge? Im europäischen Vergleich lag Deutschland im Jahr 2016 mit einer Befristungsquote von 8,5 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 11,3 Prozent. Besonders hoch waren die Befristungsquoten in Polen und Spanien, wo rund jeder vierte Arbeitnehmer befristet beschäftigt ist. Zu den sechs Ländern mit Befristungsquoten unter fünf Prozent gehörten Großbritannien, Bulgarien, Lettland, Estland, Litauen und Rumänien. Warum arbeiten Menschen überhaupt befristet beschäftigt? 2016 gab ein gutes Drittel der befragten befristeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, ein befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen zu sein, weil sie keine Dauerstelle gefunden hatten. Einer von dreien nannte einen Probevertrag als Befristungsgrund. Und ein Viertel befanden sich in Ausbildung. Nur 6,2 Prozent der Befragten hatten bewusst ein befristetes Beschäftigungsverhältnis gewählt.