Wer in Deutschland Medizin studieren will, braucht einen Abischnitt von 1,0. In Budapest, Österreich oder Polen ist der NC nicht so wichtig – allerdings kann es teuer werden. Lohnt sich der Aufwand? „Nach einem Praktikum bei einer Arztpraxis in der neunten Klasse war für mich klar, dass ich Medizin studieren will“, sagt Pascale Chehadeh. Um ganz sicher zu gehen, machte die heute 21-Jährige ihr Freiwilliges Soziales Jahr an einer Hamburger Klinik. 2017 bewerben sich 43.184 Kandidaten auf 9.176 Medizin-Studienplätze in Deutschland Dann passierte ihr das, was vielen Deutschen passiert, die Medizin studieren wollen: Ihre Note war zu schlecht. „Ich habe ein Abi von 1,9 und mit dem Medizinertest habe ich es auch versucht, das hat aber beides nicht geklappt.“ Damian Wiedbrauck, 20, wollte eigentlich nie Arzt werden. „Mein Vater ist Arzt, da wollte ich in eine andere Richtung gehen. Ich habe aber gemerkt, dass ich ein großes Interesse an Naturwissenschaften habe. Dieses Interesse und der Wunsch, im Beruf auch mit Menschen umgehen zu können hat mich dann auf die Idee eines Medizinstudiums gebracht.“ Auch Damian bewarb sich an Deutschen Universitäten und machte den Medizinertest. Ohne Erfolg. So wie Damian und Pascale geht es vielen angehenden Studenten. Auf die rund 9.000 Medizinstudienplätze in Deutschland kamen 2017 über 43.000 Bewerbungen. Doch was tun, wenn man keine zehn Semester abwarten möchte? In Österreich spielt der NC keine Rolle Die Lösung scheint ein Studium im Ausland. An vielen europäischen Universitäten kann man auf Englisch studieren, an einigen sogar auf Deutsch. Auf den NC kommt es dabei kaum an. Die meisten Universitäten laden zu Auswahltests ein oder bewerten ausschließlich die naturwissenschaftlichen Noten. Viele versuchen ihr Glück in Österreich. Das Nachbarland ist besonders wegen des Unterrichts auf Deutsch beliebt. 2014 studierten hier 2.600 junge Menschen aus Deutschland Medizin. Spielt der Numerus Clausus hier zwar keine Rolle, muss man trotzdem ein anspruchsvoller Zulassungstest bestanden. Im vergangenen Jahr haben sich an den Unis der österreichischen Städte Linz und Innsbruck sogar mehr Deutsche als Österreicher beworben. Das berichtet die österreichische Zeitung „Die Presse“. In Budapest Medizin studieren? 7.200 Euro Gebühr pro Semester! Ein echter Hotspot für deutsche Medizinstudenten ist die Semmelweis-Universität in Budapest. Hier werden über 2.000 Deutsche in ihrer Muttersprache unterrichtet. Die Universität lässt sich das einiges kosten. 7.200 Euro muss ein Student pro Semester zahlen. Bei zwölf Semestern kommt die stattliche Summe von 86.400 Euro zusammen. https://www.youtube.com/watch?v=ZUkDUGJhPN4 Video: So wirbt die Vermittlungsagentur „Medistart“ für ein Medizinstudium im Ausland. Neben Budapest und Wien ist auch Breslau beliebt. Damian und Pascale studieren nun seit einem Jahr Medizin in der schlesischen Studentenstadt. Damian ist über seine polnischen Wurzeln auf die Stadt gekommen. Pascale hatte Freunde, die sehr zufrieden mit der Uni waren. Für beide war der Ort allerdings zweitrangig. „Ich wollte drei Jahre nach dem Abitur endlich das machen, was ich wirklich will. Egal wo“, sagt Pascale. Die beiden sind mit ihrer Wahl nicht alleine. 2014 begannen 908 deutsche Studenten ein Studium in Polen. Das ist mehr als dreimal so viel wie noch vor zehn Jahren. 80 von 150 ausländischen Medizinstudenten im polnischen Breslau kommen aus Deutschland Piotr Cugier vom Marketing der Medizinischen Universität Breslau führt das auch auf den großen Andrang der Deutschen auf die Medizinischen Studiengänge in Polen zurück. „Wir bieten ein Medizinstudium auf Englisch an. Die Deutschen sind bei uns die größte Gruppe.“ Zwischen 80 und 100 Deutsche beginnen seit 2014 jährlich ihr Studium an der Universität. Die Gesamtzahl an Studienplätzen beträgt dabei gerade mal 150. Alle Studenten der englischen Medizinfakultät müssen eine Semestergebühr von 5.800 Euro zahlen. Von den 270 Euro, die Pascale für ihr Übergangsstudium in Berlin zahlte, sei das ein herber Sprung gewesen. Ihre Eltern finanzieren ihr das. Für Pascale kamen im ersten Jahr noch 2.000 Euro dazu. Sie hatte sich über eine Agentur beworben. „Ich bin zufällig auf die Agentur gestoßen. Es war die „German Students Office“. Alles war auf Deutsch erklärt und man konnte die Unterlagen an eine Berliner Adresse schicken.“ Die Agentur „German Students“ vermittelt Medizin-Studienplätze in Polen – für 2.000 Euro pro Jahr Nach der Zusage bekam sie dann einen Vertrag zugeschickt. Für 2.000 Euro pro Jahr biete die Agentur eine Ansprechperson vor Ort, Tutorien und vieles mehr. Dabei ist das noch einer der günstigeren Anbieter. Damian dagegen hat sich ohne eine Agentur beworben. Auch das sei problemlos möglich. Die Universität Breslau betrachtet die Bewerbungen unabhängig davon, ob sie über eine Agentur eingegangen sind. Die Semesterbeiträge der Deutschen Studenten sind wichtig für die Universität. „Ein polnischer Student bezahlt für sein Medizinstudium nichts. Das ist wie in Deutschland“, sagt Cugier. Die Qualität der Lehre würde unabhängig von der Sprache gewährleistet. +++ Außerdem bei Orange: Warum wir den NC fürs Medizinstudium endlich abschaffen sollten +++ Mit den Studenten der Polnischen Fakultät kommen Pascale und Damian kaum in Kontakt. Laut Damian liegt das vor allem an dem getrennten Unterricht. „Der polnische Teil der Universität hat einen eigenen Stundenplan, der komplett unabhängig von unserem ist. Da läuft man sich maximal auf dem Campus über den weg. Ich finde das aber sehr schade.“ Für Damian ist Breslau nur eine Übergangslösung. Er versucht, nach dem sechsten Semester wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Pascale sieht das anders: „Inzwischen fühle ich mich hier so wohl, dass ich mir gut vorstellen kann, mein Studium hier zu beenden – sofern mir meine Eltern das bezahlen können.“ Die Autorin: Ella Gemünd ist freie Journalistin und studiert aktuell an der Universität Breslau.