Wie bringt man Menschen dazu, gute Entscheidungen zu treffen? Manchmal reicht eine Fliege oder ein Fußballtor im Pissoir. So funktioniert „Nudging“. Dafür gibt es den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. Mädels, ihr könnt jetzt was lernen. Jungs, ihr wisst genau, was gemeint ist: Wenn ihr in einer Bar oder im Restaurant aufs Klo geht, ist das Pinkelbecken gerne mal bestückt. Mit einem Fußballtor aus Plastik oder mit einer kleinen aufgemalten Fliege. Diese Dinge sind nicht (nur) zum Spaß in der Mitte des Stehklos angebracht. Sondern dienen als Anreiz für die Herren, sich für das richtige Ziel zu entscheiden – und damit allen Beteiligten Ärger zu sparen. Richard Thaler gewinnt den Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften Sie werden nicht gezwungen, zu zielen, nein, sie werden bei ihrer Entscheidung elegant beeinflusst. Wie eine unhörbare Stimme, die sagt: Komm, komm hierhin. Kein Schubser, sondern ein Stupser. Das englische Wort dafür lautet „Nudge“. Wie lässt sich das Verhalten von Menschen beeinflussen, ohne dass sie sich gezwungen fühlen? Genau dieser Frage hat der amerikanische Ökonom Richard Thaler seine Forschung gewidmet. In seinem Buch „Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ brachte er gemeinsam mit dem Juraprofessor Cass Sunstein diese spielerische Art der Entscheidungshilfe auf den Punkt. Und erhielt am Montag für seine Erkenntnisse den „Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften“, der oft als Wirtschaftsnobelpreis bezeichnet wird. https://twitter.com/NobelPrize/status/917325889431621634 Der 72-jährige Thaler habe wichtige psychologische Einsichten in der Wirtschaftswissenschaft vermittelt, heißt es in der Begründung der Jury. „Er machte die Wirtschaftswissenschaft menschlicher.“ Woran genau hat Richard Thaler geforscht? Thaler beschäftigte sich zum Beispiel damit, wie Menschen sparen, ob sie genügend für ihr Alter vorsorgen und wenn nicht, woran das liegt. Mit seiner Forschung begründete er maßgeblich den relativ neuen Bereich der „Verhaltensökonomie“. Die Wirtschaftswissenschaften wurden lange für ihr enges Weltbild, dem berühmt-berüchtigten „Homo Oeconomicus“, kritisiert. Diesen „Wirtschaftsmenschen“ musst du dir als jemanden vorstellen, der jede Entscheidung einzig und allein aufgrund der Erwartung nach dem eigenen Nutzen trifft. Auf gut Deutsch: ein ewiger Egoist. Das mag bei manchen Menschen zutreffen. Und macht es einfach, wirtschaftliche Theorien aufzustellen. Die Realität sieht aber häufig anders aus. Thaler hat diese Kritik aufgenommen. Er hat realistischere psychologische Annahmen in ökonomische Modelle eingebaut, um die Entscheidungsfindung von Menschen besser untersuchen zu können. Hier findest du eine kurze Zusammenfassung seiner Forschung (auf englisch). Thaler sagte am Montag, die Grundannahme seiner volkswirtschaftlichen Theorien sei, immer im Kopf zu haben, dass man über Menschen forsche. https://twitter.com/NobelPrize/status/917331742687744000 Wie hoch ist das Preisgeld für den Nobelpreis? Der Wirtschaftspreis ist wie die traditionellen Nobelpreise auch mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 944.000 Euro) dotiert. Die Auszeichnung geht allerdings nicht auf den letzten Willen von Dynamit-Erfinder Alfred Nobel zurück. Der Schwede hatte in seinem Testament nur Preise für Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden genannt. Streng genommen ist der „Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft“ also gar kein Nobelpreis. Die schwedische Reichsbank stiftete den Preis 1968 nachträglich. Verliehen wird der Wirtschafts-Preis trotzdem gemeinsam mit den traditionellen Kategorien am 10. Dezember - dem Todestag des Preisstifters. https://www.youtube.com/watch?v=xoA8N6nJMRs Video: Richard Thaler erklärt den von ihm geprägten Begriff „Nudge“. Als besondere Auszeichnung kann Thaler werten, dass er den Preis alleine bekommt - das geschieht relativ selten. Ökonomen aus den Vereinigten Staaten dominieren die Auszeichnung seit der ersten Verleihung 1969. Nur ein Deutscher wurde bisher geehrt: der Bonner Spieltheoretiker Reinhard Selten im Jahr 1994. Wer ist Richard Thaler? Thaler ist 1945 in den USA auf die Welt gekommen und arbeitet derzeit als Professor an der Universität Chicago. Thaler hat während seiner Laufbahn auch den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama beraten. In dem oscargekrönten Hollywoodflim „The Big Short“, der die Entstehung der Finanzkrise beschreibt, hat Thaler sogar einen Gastauftritt neben der Schauspielerin und Sängerin Selena Gomez. In dem folgenden Ausschnitt erklärt er den Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 mithilfe von Verhaltensökonomie. https://youtu.be/A25EUhZGBws?t=3m30s Im Video: Richard Thalers Gastauftritt in dem Film „The Big Short“. Wie hat Richard Thaler unser Leben beeinflusst? Richard Thaler ist so berühmt geworden, weil seine Forschung viele Ökonomen dazu gebracht hat, über die menschlichen Eigenarten bei Entscheidungen nachzudenken – und eben nicht davon auszugehen, dass wir wie Maschinen nur nach der objektiv besten Lösung streben. Außerdem hat Richard Thaler die Politik beeinflusst, indem er zeigt, wie die Trägheit der Menschen dazu genutzt werden kann, sie zu besseren Entscheidungen zu führen - also ähnlich wie bei der Toilette und der Fliege. Als Berater des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama zum Beispiel brachte er durch, dass amerikanische Unternehmen ihren Angestellten automatisch einen Teil des Gehalts für die Altersvorsorge zurücklegen. In diesem wissenschaftlichen Aufsatz von 2004 beschreibt Thaler seine Theorie. Kritiker halten diese Art von sanfter Manipulation für Bevormundung. Falls dir das zu theoretisch ist, hier ein anderes Beispiel: 2016 kamen in Deutschland gerade einmal zehn Organspender auf eine Million Einwohner. Das ist schlecht für die Gesellschaft, weil viele Menschen auf ein lebensrettendes Organ wie eine Niere oder eine Leber warten, aber keines bekommen. Und sterben müssen. In Österreich dagegen kamen im vergangenen Jahr fast 25 Organspenden auf eine Million Einwohner. Das zeigt die Datenbank der „International Registry in Organ Donation and Transplantation“. Der Unterschied? https://twitter.com/elm089/status/917355366094077953 In Deutschland müssen sich Menschen aktiv dafür entscheiden, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. Sie brauchen einen Organspendeausweis, in den sie eintragen, ob – und wenn ja, welche – ihrer Organe anderen Menschen zur Verfügung gestellt sollen. Aktuell hat aber nur jeder dritte Deutsche einen Organspendeausweis, berichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. In Österreich dagegen ist es genau umgekehrt: Die Organentnahme zu Transplantationszwecken ist rechtlich dann zulässig, wenn der Verstorbene ihr zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Seit 1995 führt der Staat ein „Widerspruchsregister“. Dort kann sich jede Person eintragen lassen, die nicht möchte, dass ihre Organe zur Transplantation freigegeben werden. Bis heute haben das nur knapp 35.000 der rund 8,5 Millionen Österreicher getan.