An der Bielefelder Sudbrackschule steht seit diesem Jahr ein ganz neues Fach auf dem Stundenplan: Glück. Ob man das lernen kann – und wie das geht – haben wir Schulleiterin Martina Reiske gefragt. 2007 bot die Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg als erste Lehranstalt Deutschlands das Schulfach „Glück“ an. Die Idee des damaligen Rektors Ernst Fritz-Schubert war, den Schülern mehr zu bieten, als eine reine Ausbildung für den jeweiligen Beruf. Im Schulfach Glück machen Kinder Übungen, in denen sie Seile verknoten Später gründete der Mann das „Fritz-Schubert-Institut für Persönlichkeitsentwicklung“ und heute haben mehr als 100 Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz das Konzept übernommen. Auch auf der Bielefelder Sudbrackschule sollen Kinder lernen, wie sie ihr Wohlbefinden steigern können. Die Belegung des Fachs ist freiwillig, eingeführt hat es die Schulleiterin Martina Reiske. Frau Reiske, kann man Glück überhaupt lernen? Wir sehen Glück als Zufriedenheit. Und die kann man lernen, ja. Was bedeutet Glück für Sie? Wenn jemand selbstbewusst durchs Leben gehen kann und weiß, was er oder sie für Stärken hat, dann ist da Zufriedenheit. Es kommt nicht darauf an, die kleinen Glücke zu haben – obwohl das auch sehr schön ist. Es kommt auf die Grundzufriedenheit an, die macht einen wirklich glücklich. Wenn ich heute Nachmittag in die Glücksstunde gehe, was machen wir dann? Wir gehen durch einen geschmückten Bogen in den Klassenraum hinein, das macht nämlich direkt gute Laune. Dann können sich alle gemütlich ihre Schuhe ausziehen, in den Sitzkreis setzen und begrüßen. Die Kinder haben dann eine Glücksschatzkiste oder ein Glücksbuch, wo sie Sachen reinschreiben, die sie am Tag glücklich machen. Dann lesen sie eine Geschichte und unterhalten sich darüber. Oder sie machen Teamübungen, bei denen sie durch Absprache schwierige Dinge gemeinsam schaffen. Was könnten das für Übungen sein? Es gibt zum Beispiel eine Übung, bei der man zwei Seile nebeneinander legt. Alle Kinder müssen dann jeweils ein Seil mit einer Hand festhalten, nur die Kinder an den Seilenden halten jeweils nur ein Seil fest. Dann muss man versuchen, ohne, dass Kinder die Seile loslassen, einen Knoten zu formen. Das klingt kompliziert. Was bringt das? Das hilft dem Teamgedanken, es regt Diskussionen an und verbessert die Fähigkeit, Lösungen zu finden. Und natürlich: Wenn man eine schwierige Aufgabe geschafft hat, gibt es einem einfach ein gutes Gefühl. Und das ist dann genau so ein Fach wie Mathe oder Deutsch? Wir dürfen es nicht „Fach“ nennen – die Fächer sind ja vom Ministerium vorgegeben. Bei uns haben wir den Glücksunterricht als freiwilliges Angebot für die Viertklässler laufen. Aber: Alle machen mit. Also ist es fast wie ein Fach… nur ohne Noten, oder? Natürlich gibt es keine Noten! Die Kinder sollen eine Stunde haben, in der sie bei sich sind und eine gute Zeit haben. Wie gut jemand im glücklich sein ist, kann man natürlich nicht bewerten. Sind die Schüler durch den Unterricht schon glücklicher geworden? Ja, das sagen uns zumindest viele. Wir machen das Angebot ja extra für Viertklässler, weil die bald die Schule wechseln und das vielen von ihnen Angst macht. Durch den Unterricht bekommen sie das nötige Selbstbewusstsein für den neuen Schritt. Im Video: So läuft der Glücksunterricht an einer Schule in Süddeutschland. Was sagen die Eltern und Kollegen dazu? Wir kriegen ganz viele positive Rückmeldungen. Meine Kollegen haben zum Beispiel beobachtet, dass die Kinder viel weniger Konkurrenzgedanken haben: „Ich gehe auf diese Schule, und du nur auf diese“ ist jetzt kein Thema mehr in der vierten Klasse. Es herrscht ein toller Zusammenhalt. Kommen da keine abfälligen Sprüche? Die gab es schon, auch vom Lehrerverband. „Das kann man nicht lernen, das ist Quatsch, was sollen wir in der Schule noch alles machen?“ Und? Ich sehe das ganz anders! Obwohl unsere Gesellschaft eigentlich alles im Überfluss hat, was sie zum leben braucht, gibt es trotzdem so viele psychische Krankheiten– das ist für mich ein Warnsignal. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und wir haben Menschen, die nicht das leisten können, was von ihnen verlangt wird. Bei uns sollen Kinder lernen, ohne Ellenbogen, dafür mit ihren Talenten und Stärken durchs Leben zu kommen. #GlücksBuch im #Glücksprojekt Schulfach #Glück#GlücksInstitut #GlücksSchule pic.twitter.com/QirfOY8GzV — #Glücksprojekt (@MMunckmark) 8. Dezember 2015 Sie arbeiten an einer Grundschule, Glück gibt es an weiterführenden Schulen aber sogar als richtiges Unterrichtsfach – manchmal sogar im Abitur! Heißt das, ich kann auch als junge Erwachsene noch lernen, glücklich zu sein? Auf jeden Fall! Viele der Übungen kann man ja auch als Erwachsene machen, ganz egal, in welchem Alter. Zum Beispiel die mit den zwei Seilen. Und auch beim Glück gilt: Man lernt nie aus. Es wird immer Menschen geben, die das Glas halb leer sehen, und die kann man dann noch zum Umdenken bewegen. +++ Außerdem bei Orange: Das solltest du tun, damit deine Kinder gesund und glücklich werden +++ Sind Sie durch Ihren Glücksunterricht glücklicher geworden? Auf jeden Fall, auch im Privatleben. Danke für das Interview, Frau Reiske!