In Spanien herrscht Ausnahmezustand, weil sich Katalonien abspalten will. Doch woran liegt es eigentlich, dass so viele Bürger einen eigenen Staat gründen wollen? Wir haben zwei junge Spanier gefragt. Es ist schon komisch, wenn man in einem europäischen Land Menschen nach Freiheit und Demokratie schreien sieht. Irgendwie passt das nicht ins Bild und irgendwie versteht man nicht so recht, wie es zu diesem politischen Chaos kommen konnte. Carles Puigdemont ist jetzt offiziell der „ehemalige Regionalpräsident“ von Katalonien Am Freitag stimmte die Mehrheit der katalanischen Abgeordneten für die Unabhängigkeit von Spanien. Nur wenige Minuten später stellt die spanische Regierung die halbautonome Region im Nordosten des Landes unter Zwangsverwaltung. Die bisherige Regierung Kataloniens ist damit entmachtet. +++ Außerdem bei Orange: Was erlauben sich die Katalanen? +++ Nicht mehr Carles Puigdemont ist nun Regionalpräsident, sondern der Ministerpräsident Mariano Rajoy. Zumindest auf dem Papier. Un mes del #CatalanReferendum de l'#1Oct. Malgrat la violència i les amenaces passades i presents, seguim treballant. Orgull de poble! pic.twitter.com/eaGSfNlJaR — Carles Puigdemont (@KRLS) 1. November 2017 „Ein Monat nach dem Katalonien-Referendum am 1. Oktober: Trotz der Gewalt und der Bedrohungen arbeiten wir weiter.“ – Carles Puigdemont Das Hauptziel Madrids sind jetzt die Neuwahlen am 21. Dezember. Die Hauptstadt erhofft sich damit eine neue katalanische Regierung, die keinen Wandel fordert. Die Unabhängigkeit Kataloniens wäre für Spanien die größte politische Umwälzung in einer vierzigjährigen Demokratie. Puigdemont rief die Befürworter deshalb am Samstag erneut zum „demokratischen“ Widerstand auf. Doch er selbst verschwand. Puigdemont hat sich abgesetzt – nach Brüssel. Die spanische Staatsanwaltschaft erhebte daraufhin Anklage gegen ihn. Wozu also jetzt das ganze hin und her? Zwei junge Katalanen erklären uns, wieso sie eine Veränderung fordern und die Unabhängigkeit für richtig halten: Jaume, 25, aus Tarragona: „Freundschaften brechen auseinander“ „Ich bin mit der katalanischen Sprache und Kultur aufgewachsen, damit kann ich mich identifizieren. Mit meinen Freunden und der Familie spreche und schreibe ich täglich auf katalanisch. Die Eigenständigkeit von Katalonien wäre zwar eine riskante und ungewisse Entscheidung. Aber das ist immer noch besser, als bei einer unterdrückenden Regierung zu bleiben, die uns nicht richtig repräsentiert. Katalonien hat Mariano Rajoy und seine „Partido Popular“ nicht gewählt. Für mich ist das eine korrupte Partei – und Spanien wählt diese Partei weiter. Jahre für Jahre. Aber wir leben im 21. Jahrhundert und brauchen Veränderung. Katalonien ist anders. Wir wollen einen Wechsel. Und das können wir nur für uns selbst erreichen. Ich habe schon gehört, dass Freundschaften auseinandergebrochen sind, weil einer für die Unabhängigkeit war und jemand anderes dagegen. Es ist schade, dass so ein Keil zwischen uns getrieben wird. Ich hoffe, dass wir bald für uns selbst bestimmen können.“ Helena, 20, aus Barcelona: „Katalonien braucht Selbstbestimmung“ „Ehrlich gesagt habe ich mich nie besonders für Politik interessiert. Die Unabhängigkeitsbewegung betrifft aber alle und ich würde auf jeden Fall dafür stimmen. Generell sage ich das aus vier Gründen: Als erstes wegen unserer Wirtschaft. Natürlich arbeiten wir nicht mehr als andere Spanier. Aber wir sind eine der wirtschaftlich stärksten Regionen und unsere Steuern, die wir dem spanischen Staat zahlen, kommen nicht wieder bei uns an. Im 18. Jahrhundert hat Katalonien einen Krieg gegen Spanien verloren Zweitens aus sozialen Gründen. Da ist eine Menge Hass, der vom Rest Spaniens auf Katalonien trifft. Und der ist nicht erst seit kurzem da, das hat auch historische Gründe. Die Katalanen wurden immer vom Rest Spaniens bekämpft. Es gab zum Beispiel einen Krieg im 18. Jahrhundert, den wir verloren haben. Viele Katalanen sind für ihre Selbstbestimmung gestorben, das finde ich nicht demokratisch. Karte: Barcelona und Tarragona in Katalonien. Drittens aus kulturellen Gründen. Katalanisch war keine besonders beliebte Sprache in Spanien. Zumindest in der Vergangenheit, als unser Land noch nicht mehrsprachig war. Natürlich sprechen wir auch Spanisch, aber Katalanisch ist einfach unsere Muttersprache und das seit mehr als 300 Jahren. Und viertens finde ich, dass wir politisch in Katalonien nicht gut repräsentiert werden. Wir denken anders als der Rest von Spanien und stimmen nicht mit den Parteien und der Monarchie überein. Aber die Rechte zur Selbstbestimmung sollten uns zustehen. Es ist einfach traurig zu wissen, dass die Menschen, die für Rechtmäßigkeit kämpfen sollten, gleichzeitig korrupten Parteien angehören.“