Debil, dumm, durchgeknallt: Viele Politiker halten Donald Trump für eine tickende Zeitbombe ohne Strategie und Plan. Dabei zeigt das erste Jahr als US-Präsident, dass Trumps Politik System hat. Wir müssen es nur noch durchschauen. „Trump ist ein wahnsinniger alter Mann“, meint nicht nur der Oberste Führer des Nordkoreanischen Volkes, Kim Jong-un. Überall auf der Welt halten Politiker und Journalisten den US-Präsidenten für unberechenbar und unkontrollierbar. Für SPD-Chef Martin Schulz ist Trump „ein Risiko für die ganze Welt, weil er Politik für eine Boxbude hält“. Auch Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der einflussreichsten deutschen Diplomaten, hat inzwischen „Angst“ vor Trump. Wie lässt sich Donald Trumps Verhalten zum eigenen Vorteil nutzen? Aber nach einem Jahr im Amt ist Donald Trump längst nicht mehr so undurchschaubar, wie anfangs angenommen. Es ist nur so: Trump verfolgt andere Ziele, als alle seine Vorgänger. Und er sieht Politik, im Gegensatz zu den meisten anderen Berufspolitikern, wie eine Verhandlung in der Wirtschaft: der beste Deal. Oder no Deal. Doch wie er versucht, dieses Spiel zu gewinnen, ist gar nicht so unberechenbar wie gedacht. Denn es zeigen sich eindeutige Muster, die alle Gegner Trumps zu ihrem Vorteil nutzen können. Im Video: Was junge Amerikaner über ihren Präsidenten denken. Twitter ist eines der wichtigsten Mittel des US-Präsidenten, schon 2012 bezeichnete er es als "meine eigene Presseagentur". Auf den ersten Blick wirkt es, als würde er wann, wie und worüber auch immer er gerade Lust hat tweeten. Doch der US-Professor George Lakoff sieht in Trumps Tweets ein ganz klares Muster. Er twittere vor allem früh morgens und gebe damit für den kommenden Tag die Medienthemen an: so könne er unangenehme Themen umgehen, seine Sicht der Dinge in der gesamten Presse verteilen und den Ton für Debatten setzen, anstatt nur zu reagieren. +++ Hier bekommst du Orange kostenlos per Whatsapp! +++ Tatsächlich setzt der US-Präsident die meisten Tweets ab, wenn es in New York und Washington zwischen sieben und acht Uhr morgens ist. Die meisten Journalisten, Politiker und viele US-Bürger wachen also mit seinem Tweet auf und reagieren darauf. Da fallen unliebsame Themen schon mal vom Tisch, wie RealClearPolitics analyisiert. Unprecedented success for our Country, in so many ways, since the Election. Record Stock Market, Strong on Military, Crime, Borders, & ISIS, Judicial Strength & Numbers, Lowest Unemployment for Women & ALL, Massive Tax Cuts, end of Individual Mandate - and so much more. Big 2018!— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 20. Januar 2018 Donald Trump auf Twitter: ein "Madman", aber kein Wahnsinniger Und nicht nur seine Twitter-Nutzung ist systematisch und vorhersehbar. Was hat Trump im vergangenen Jahr gemacht, dass er nicht schon im Rennen um die Präsidentschaft verkündet hatte? Wie vorher ausgesprochen versuchte er gleich im Januar, Menschen aus hauptsächlich muslimischen Ländern die Einreise zu verbieten. Im Februar ernannte er als Minister Wahlkampfunterstützer und Milliardäre. Seit Juli versucht er die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama zurückzudrehen. Im November kündigte er an, den Iran-Deal zu beenden. Gesagt, getan. Das ist nur eine kleine Auswahl: bisher ist kaum eine seiner Entscheidungen unerklärlich gewesen. „Trump hat gänzlich andere Ziele als die meisten Politiker und versteht Politik als ein Spiel um Alles-Oder-Nichts“, meint Steven J. Brams von der New York University Aber wenn wir das berücksichtigten, spiele Trump nach einer ganz offensichtlichen Strategie: „Kompromisse, langfristige Verhandlungen und dergleichen machen keinen Sinn, wenn man entweder vollkommen gewinnt oder vollkommen verliert.“ Jahrzehntelange diplomatische Verhandlungen, wie mit Nordkorea oder im Israel-Palästina Konflikt, haben deshalb wenig Nutzen für ihn und werden schon mal in einer einzigen Aktion über den Haufen geworfen. +++ Außerdem bei Orange: 5 Erfolge von Donald Trump, die Amerika verändern +++ Um in diesem „Alles-oder-Nichts-Spiel“ zu gewinnen, wendet Trump vermutlich eine Version der altbekannten „Madman“-Methode an. Sie stammt aus der Zeit von US-Präsident Richard Nixon, der im Krieg mit Vietnam und dem kalten Krieg mit Russland wie ein „Madman“ (dt. Wahnsinniger) wirken wollte. So wusste keiner seiner Gegenspieler, ob er wirklich eine Atombombe auf Hanoi oder Moskau werfen würde – und alle behandelten ihn mit Vorsicht und lenkten ein. So siegt der scheinbar Unberechenbare. North Korean Leader Kim Jong Un just stated that the “Nuclear Button is on his desk at all times.” Will someone from his depleted and food starved regime please inform him that I too have a Nuclear Button, but it is a much bigger & more powerful one than his, and my Button works!— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 3. Januar 2018 Außenpolitik von Donald Trump: "Seine gefährlichsten Gegner sind jene, die das Spiel durchschauen" Ähnlich scheint es Trump zu machen, dessen langjähriger Hauptstrategieberater und Freund Roger Stone der ehemalige Berater von Nixon ist. „Wir müssen als Nation unvorhersehbar werden, gerade in der Außenpolitik“, erklärte Trump, noch bevor er zum Präsidenten gewählt wurde. Als Trump dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un androhte, Nordkorea mit einer Atombombe auszulöschen, reagierte Kim Jong-un vorsichtig und nahm nach Jahrzehnten der Stille wieder Gespräche mit Südkorea auf. Vordergründig scheint die Methode also manchmal zu funktionieren. Aber wie Todd Hall in Emotional Diplomacy über solche Politik schreibt: „Sobald sie als Bluff auffliegt oder durchschaut wird, verliert sie ihre Wirkung.“ +++ Außerdem bei Orange: Schluss mit lustig! Nehmt Donald Trump endlich ernst +++ So haben Trumps Entscheidungen in der Außenpolitik - im Gegensatz zu den obigen Beispielen aus der amerikanischen Innenpolitik - oft wenig mit seinen offiziellen Aussagen zu tun. Hal Brand findet in seinem Buch American Grand Strategy in the Age of Trump unzählige Belege, dass der US-Präsident sich in der Außenpolitik nur selten an seine Worte hält. „Er verteufelt und droht der Nato, trotzdem baut seine Regierung die Beziehungen zur Nato aus; er spricht sich für bessere Beziehungen zu Russland aus, liefert aber gleichzeitig Waffen an die Ukraine und baut ein Mittelstrecken Atom-Abwehr System gegen russische Atomschläge aus; er will den Afghanistankrieg beenden, schickt aber gleichzeitig mehr Soldaten hin“. In diesen und vielen anderen Fällen, meint der Wissenschaftler, sollten Politiker sich von seinen Aussagen nicht täuschen lassen: hier seien seine Entscheidungen tatsächlich oft ganz anders als angekündigt. Das bedeutet nicht, dass Trump vollkommen durchschaubar ist. Keiner hatte vorausgesehen, dass er etwa kanadischen Flugzeugbauern heftige Strafzölle aufbrummen würde. Gerade in Wirtschaftsfragen, so meint in dem Artikel auch die New York Times, trifft er relativ häufig unerwartete Entscheidungen. Trotzdem ergibt sich ein klares Muster. Wenn wir das wissen – und weiter an seiner Strategie forschen – können wir auch viel besser damit umgehen. Denn, wie Steven J. Brams zurecht meint: „Die gefährlichsten Gegner für Trump sind jene, die sein Spiel und seine Regeln durchschauen”.