Immer weniger Menschen trinken Hasseröder und Diebels. Deswegen wurden die beiden Biermarken verkauft. Der neue Besitzer ist fremd in der Branche – aber bereits bekannt für seine obskuren Geschäfte. (Artikel von WirtschaftsWoche) Der neue Eigentümer hat seinen Kauf gerade erst bekannt gegeben, da steht er auch schon volksnah am Zapfhahn im ostdeutschen Wernigerode. Die Schaumkrone auf dem Bier sitzt so akkurat wie seine Frisur, und auch sonst ist die Veranstaltung wunderbar inszeniert. Nein, er werde hier, am Sitz von Hasseröder, niemanden entlassen, verspricht Daniel Deistler. Stattdessen will er neue Leute einstellen und „kräftig investieren“. Hasseröder und Diebels nach dem Verkauf: Warum glaubt der neue Investor an die beiden Brauereien? Die Belegschaft ist begeistert. „Ein schöner Tag“, der Diebels-Werbesong aus den Neunzigern, wäre der perfekte Soundtrack für die große Show. Deistler hat dem belgischen Unternehmen AB Inbev nämlich neben Hasseröder auch die bekannte Altbiermarke Diebels abgekauft. Das klingt für dich alles zu sehr nach heiler Welt? Tatsächlich werden die Zweifel an Deistlers Konzept umso größer, je intensiver man sich mit dem Vorgang beschäftigt. Nun offiziell: CK Corporate Finance übernimmt Hasseröder-Brauerei in Wernigerode, teile bisherige Eigentümer @abinbev mit. Viel ist über den Investor, der eher in der Finanzberatung tätig ist, nicht bekannt. — Steffen Hoehne (@steffen_hoehne) 16. Januar 2018 Die Branche jedenfalls rätselt, warum er mit seinem Unternehmen CK Corporate Finance ohne relevante Erfahrung und eigenes Geld ausgerechnet ins umkämpfte und schrumpfende Biergeschäft einsteigt. Zudem fällt Deistlers bisherige Erfolgsbilanz mager aus. Im sächsischen Mylau etwa hat er vor vier Jahren ähnlich optimistische Geschichten erzählt. Nach oben aber ging dort gar nichts. Nach wenigen Monaten schon war das von ihm übernommene Unternehmen pleite. Die Deutschen trinken weniger Bier – insbesondere Hasseröder Seit einem Jahr schon wollte das belgische Unternehmen AB Inbev, das Hasseröder und Diebels besitzt, diese verkaufen. Doch alle namhaften Brauereien winkten ab. Denn in Deutschland wird weniger Bier getrunken. +++ Außerdem bei Orange: In Finnland gibt es Bier im 1000er-Pack +++ Wurden 1991 noch 118 Millionen Hektoliter verkauft (etwa so viel, wie in 103 Millionen Badewannen passt), sind es heute „nur“ noch 94 Millionen Hektoliter (oder anders gesagt, 21 Millionen Badewannen weniger pro Jahr). Von den großen Marken konnten 2017 nur Krombacher, Veltins und Paulaner mehr Bier verkaufen als noch im Vorjahr. Alle anderen mussten teils herbe Rückschläge verdauen. Hasseröder zählte zu den größten Verlierern. Schnäppchenpreise statt Werbung für Hasseröder Mit drei Millionen verkauften Hektolitern pro Jahr war das „Premium Pils“ einst die viertgrößte Biermarke in Deutschland. Seit dem Kauf durch AB Inbev vor 15 Jahren hat die Brauerei aus dem Harz jedoch nicht nur unter sinkendem Durst, sondern auch unter haarsträubenden strategischen Fehlern gelitten. Ein Beitrag geteilt von Cenation198227 (@cenation198227) am Feb 17, 2017 um 4:38 PST Schnäppchenaktion von Hasseröder Erst gab es weniger Geld für Werbung, und als dann die Umsätze zurückgingen, ließen sie eine Schnäppchenaktion auf die nächste folgen. Aber selbst Preise von sieben bis zehn Euro pro Kasten brachten den Verkauf nicht in Schwung. Von Jahr zu Jahr schwinden die Zahlen. 2017 ging im Vergleich zum Vorjahr sogar ein Zehntel weniger Hasseröder über den Ladentisch. Immer weniger mögen Altbier, keiner mag mehr Diebels Noch trüber sieht es bei Diebels aus. Die Nachfrage nach Altbier schwindet schneller als bei anderen Sorten. Statt 1,6 Millionen Hektoliter wie noch vor 15 Jahren, verkaufte das Unternehmen zuletzt nur noch 350.000 Hektoliter. Solche Größenordnungen erreichen selbst Haus- und Craftbier-Brauer. +++ Außerdem bei Orange: Schmeckt man den Unterschied zwischen Kölsch und Alt? +++ Für beide Marken soll Käufer Deistler angeblich 200 Millionen Euro auf den Tisch legen. In der Branche mag das so recht niemand glauben. Sollte er auch Schulden von den Unternehmen übernehmen, dürfte er sicher deutlich weniger zahlen. Selbst wenn man ihm beste Absichten unterstellt, müsste man den Kauf mutig nennen. Doch wer sich mit seiner bisherigen Karriere als Unternehmer beschäftigt, kann an seinen Plänen zweifeln. Käufer Daniel Deistler hat eine halbe Million Euro Schulden Nach dem Abschluss an der Frankfurter Hochschule für Bankwirtschaft arbeitet Deistler unter anderem bei der Commerzbank, der Dresdner Bank und dem Beratungsunternehmen Ernst & Young. „Mir war immer klar, dass man von ihm noch hören würde“, sagt einer, der ihn bei seinen ersten Schritten begleitet hat. „Ich war mir aber nie sicher, ob das im guten oder im schlechten Sinne sein würde.“ 2004 erwirbt Deistler mit einem Partner die Carl Kliem Corporate Finance. Ein paar Jahre versucht er sich als Berater für Firmen. Als sich erste zarte Erfolge einstellen, kommt die Finanzkrise dazwischen. Seit 2012 ist die Gesellschaft laut Bundesanzeiger „bilanziell überschuldet“, das heißt, die Firma hat auf dem Papier nicht genügend Vermögen, um ihre Schulden zu bezahlen. Im letzten Jahresbericht von 2015 hat die CK Corporate Finance mehr als eine halbe Million Euro Schulden. Deistlers Aktivitäten bremst das nicht. Mal will er muslimische Kunden für Häuser begeistern, die angeblich nach den religiösen Gesetzen des Islam gestaltet sind, mal eröffnet er eine Polo-Schule. +++ Außerdem bei Orange: Jugendliche saufen weniger, aber... +++ Größere Wirkung entfaltet kein Projekt. Dafür taucht Deistlers Name im Zusammenhang mit Firmenübernahmen und anschließenden Insolvenzen auf. Insolvent ist eine Firma, wenn sie pleite ist. Keine Erfahrungen in der Bierbranche, stattdessen dubiose Geschäfte mit Baufirmen Da ist zum Beispiel seine Verbindung zum Schweizer Firmensammler Hans-Dieter Fuchs und zu Roland Müller, der schon einmal verurteilt wurde, weil er zu spät bekanntgab, pleite zu sein. 2013 erwerben die beiden von den Baukonzernen Bilfinger und Eurovia Unternehmen mit insgesamt mehr als 400 Mitarbeitern. Ein Beitrag geteilt von german beers (@german_beers) am Mär 22, 2017 um 1:53 PDT Aus denen formen sie die Betam-Gruppe. Teile von dieser Gruppe sind zwischenzeitlich an Deistlers Geschäftsadresse in der Hans-Thoma-Straße 4 im Kronberger Gewerbegebiet gemeldet. Deistler berät Betam, beschafft Geld auf Pump und kassiert dafür ein Honorar. Die Betam-Gruppe geht pleite. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt bei Betam noch wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs gegen mehrere ehemalige Verantwortliche – nicht aber gegen Deistler. Deistler kauft Unternehmen und verkündet Fortschritt und Wachstum Im Januar 2014 verkauft der Autozulieferer Mahle aus Stuttgart das Unternehmen Behr. Die 60 Mann große Firma stellt in Mylau bei Zwickau Felgen für Motorräder her. Käufer ist auf einem Umweg die Saxess Holding, die Daniel Deistler gehört. +++ Außerdem bei Orange: Mit (genügend) Bier sprichst du Fremdsprachen besser +++ Der neue Eigentümer ändert den Namen Behr in IAM Components. Wenig später stellt sich Deistler wie jetzt bei Hasseröder in Mylau vor, kündigt an, „die Firma technologisch und qualitativ unter Berücksichtigung des Marktes weiterzuentwickeln“ und langfristig neue Leute einzustellen. Dann passiert wenig, bis IAM im November seine Schulden nicht mehr bezahlen kann und deswegen die Insolvenz beantragt. Deistler sei nur daran interessiert gewesen, das Unternehmen auszuschlachten, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Ob er Recht damit hat? Derzeit wird vor Gericht erneut geklärt, ob es rechtsmäßig ist, dass Deistler Patente übertragen ließ, also geschützte Neuentwicklungen von IAM weitergab. Als der Fall das erste Mal vor Gericht verhandelt wurde, bekam der Insolvenzverwalter von IAM Components Recht. Die Autoren: Mario Brück ist Redakteur bei der WiWo für Unternehmen & Märkte, Konrad Fischer ist Redakteur bei der WiWo im Ressort Blickpunkte.