Die Präsidentschaftswahl? Manipuliert! Hackerangriff in Deutschland? Die Russen waren's! Giftanschlag in England? Kalter Krieg! Wir fragen einen jungen Russen, warum der Ruf seines Landes so schlecht ist. Woran denkst du als Erstes, wenn du das Wort Russland hörst? Alexander Gorskiy hat da so seine Erfahrungen. Er weiß noch genau, wie es war, als er vor vier Jahren von Moskau nach Tübingen zog, um hier Jura zu studieren: "Wenn ich mich als Russe vorgestellt habe, fragten fast alle als erstes: Was hältst du eigentlich von Wladimir Putin?". Russland Präsidentschaftswahl 2018: Was sagen Russen in Deutschland? Putin könnte zum vierten Mal Präsident werden und das größte Land der Welt damit mehr als zwei Jahrzehnte regieren. Am Sonntag ist Wahl in Russland. Wie hierzulande darf dort jeder wählen, der mindestens 18 Jahre alt ist. Das gilt laut Wahlgesetz auch für im Ausland lebende russische Bürger. Alexander Gorskiy darf also teilnehmen. Alexander, voraussichtlich wählen am Sonntag rund 70 Prozent Wladimir Putin wieder zum russischen Präsidenten. Du sicher auch, oder? In Russland gibt es keine Wahlpflicht, deswegen ist die Stimmabgabe freiwillig. Ich habe schon an den vorherigen Präsidentschaftswahlen 2012 nicht teilgenommen und werde das auch diesmal nicht tun. Warum? Die Kandidaten und ihre Programme überzeugen mich einfach nicht. Keiner vertritt die Interessen von uns jungen Leuten. Was genau überzeugt dich nicht? Vor allem die Personen, die an der Wahl teilnehmen. Es gibt bestimmt andere Personen, die ich unterstützen würde, aber sie sind in der Politik nicht aktiv, weil es in Russland bei Wahlen leider keine richtige politische Konkurrenz gibt. Wer der Wahlsieger sein wird, ist ja ganz klar... ...Wladimir Putin nämlich. Da denkst du wie viele in Deutschland. Warum? Das ist keine richtige Wahl, sondern nur dazu gedacht, den Präsidenten im Amt zu bestätigen. Am Sonntag wird herauskommen, dass etwa zwei Drittel der russischen Bevölkerung Unterstützer des amtierenden Präsidenten sind. Und wenn jemand dagegen stimmen wird, spielt das überhaupt keine Rolle. Wie denken deine Freunde und Familie in Russland darüber? Da gibt es ganz unterschiedliche Meinungen. Das ist auch erwünscht und willkommen. In meinem Freundeskreis während des Studiums in Moskau gab es alle möglichen politischen Vorstellungen. Ein Kommilitone hat sich in der kommunistischen Partei engagiert und an die kommunistische Ideologie geglaubt. Ein anderer Bekannter war bei einer Oppositionspartei aktiv und sehr liberal eingestellt. Das heißt, ihr habt häufig über Politik gesprochen? Natürlich kommen die Gespräche manchmal zu den politischen Fragen. Anders als deutsche Jugendliche reden russische Jugendliche aber ungern über Politik. Sie sind politisch weniger aktiv und ehrenamtlich nicht so engagiert wie hier in Deutschland. So war es zumindest bis 2014. Kritiker der russischen Regierung landeten wiederholt im Gefängnis. Ist es ein Risiko, in Russland gegen den Präsidenten zu sein? Schwierige Frage. Ich kann nicht genau beurteilen, wie sich die Festnahmen bei Protesten und Demonstrationen auf die Stimmung unter den Jugendlichen ausgewirkt haben. Es ist aber ein großes Missverständnis in Europa, dass es keine Meinungsfreiheit gibt. Doch, die gibt es auch in Russland. Ich konnte mich immer frei äußern. Aus dieser Perspektive ist vieles besser geworden als noch zur Zeit der Sowjetunion. * * * * * Immer wieder sorgt das Thema Russland in den Medien für Schlagzeilen. Jüngster Anlass: Ein mysteriöser Anschlag auf einen ehemaligen russischen Agenten und seine Tochter in der südenglischen Stadt Salisbury. Mittlerweile ist klar: Die Beiden wurden vergiftet. Aber von wem? A weekend detoxing in Salisbury.... Military in protective clothing remove vehicles from a car park in Salisbury near where Russian ex-spy Sergei Skripal and his daughter were attacked with a nerve agent. #skripal #salisbury #photojournalism #photography #nerveagent #poison #spy #military #army #russia #detox #detoxing #picoftheday Ein Beitrag geteilt von neil hall (@neil_hall_photo) am Mär 13, 2018 um 6:09 PDT Keine drei Wochen ist es her, da gab es hierzulande Schlagzeilen über eine schwerwiegende Hackerattacke auf Webseiten der deutschen Regierung. Bewiesen ist zwar nichts, aber auch hier der Verdacht: Die Russen stecken dahinter. Und die USA haben gerade Strafen gegen 19 Russen verhängt, weil sie sie verdächtigen, die US-Präsidentschaftswahl im November 2016 manipuliert zu haben. * * * * * Giftattacke, Hackerangriff, Wahlmanipulation: Warum sind Russen im Westen eigentlich immer die Bösen? Unter uns Jugendlichen herrscht die klare Vorstellung, dass die Politik ein eigener Bereich ist und Dinge wie Alltagsleben, Wirtschaftskooperation oder Jugendaustausch eine ganz andere Sache sind. +++ Außerdem bei Orange: Stammen Nordkoreas Raketen in Wahrheit aus Russland? +++ Aber wie geht es dir damit, wenn dein Heimatland immer wieder mit solchen kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht wird? Natürlich freut mich das überhaupt nicht, was im politischen Bereich passiert und wie sich Russland wandelt in den letzten vier, fünf Jahren. Andererseits ärgern mich aber auch manche Reaktionen in den westlichen Ländern. Die Medien reagieren wirklich hart auf die Handlungen Russlands, manchmal zu hart und ohne wirkliche Beweise. So tragen auch sie zum Bild Russlands als Bösewicht bei. Findest du, deutsche Medien berichten nicht fair über Russland? Sie sind nicht in jeder Frage neutral. Beispielsweise haben 2014 fast alle deutschen Zeitungen einseitig über den Ablauf der Vorfälle in der Ostukraine und auf der Krim berichtet. Russland war für sie an allem schuld. Woran liegt das deiner Meinung nach? Früher war für die USA und Europa klar: Die Sowjetunion ist der Bösewicht. Nach dem Untergang der Sowjetunion war Russland 20 Jahre nicht so präsent in der europäischen Politik. Plötzlich kam Russland wieder zurück. Vielleicht war das für manche ein Grund, Russland zu verteufeln. Dabei haben beide Seiten Fehler gemacht. Ich habe übrigens in all den Jahren in Deutschland nie einen Konflikt gehabt. Ich glaube, junge Menschen sind einfach toleranter in diesen Dingen. +++ Außerdem bei Orange: Homer wusste es schon lange: Putin will die UdSSR zurück +++ Auch in Kinofilmen werden Russen immer wieder gerne als Bösewichte genommen. Neuestes Beispiel: Red Sparrow, ein Film über eine russische Spionin. Wie kommt das bei dir an? Den Film habe ich vor zwei Wochen im Kino gesehen. Ich habe wirklich gelacht – und ich war nicht der Einzige –, wie stereotypisch "die bösen Russen" und "die guten Amerikaner" dargestellt werden. Einige Zuschauer haben das während des Films sogar kommentiert. Die Massenkultur wirkt sich auf das Russland-Bild im Westen aus. Es freut mich aber, dass junge Leute erkennen: Nicht alles, was da gezeigt wird, stimmt mit der Wahrheit überein. https://www.youtube.com/watch?v=S2Z0bxFPMzw Du kennst inzwischen beide Länder gut. Wenn du eine Sache aus Deutschland in deiner Heimat Russland einführen dürftest: Was wäre das? Wenn ich zu Hause zu Besuch bin, merke ich es immer: die Mülltrennung. In Deutschland funktioniert das hervorragend. Es ist umweltfreundlich und auch wirtschaftlich eine gute Sache. Aber wenn ich dann sehe, wie das mit dem Müll in Moskau läuft . . . Dabei wäre die Umweltverschmutzung so ein wichtiges Thema in Russland. Und fällt dir umgekehrt etwas ein, das die Deutschen von Russland lernen können? Die Gastfreundschaft. Beim ersten Kennenlernen zeigen sich Russen zwar Fremden gegenüber nicht so freundlich, aber beim nächsten Mal begrüßen sie dich wie einen alten Bekannten. Bei den Deutschen ist es umgekehrt: Sie sind super freundlich und nett beim Kennenlernen, aber beim nächsten Mal halten sie einen gewissen Abstand, wenn du sie nicht genau kennst. Außerdem gibt es in Russland vielerorts freies WLAN, und man bekommt schnell und günstig einen schnellen Internetzugang. Deutschland bremst da leider ein bisschen. Alexander, danke für das Interview. Alexander Gorskiy, 1992 in Moskau geboren, hat in der russischen Hauptstadt Jura studiert. Als Schüler war er zum ersten Mal in Deutschland. 2014 zog er nach Tübingen, machte dort seinen Masterabschluss und arbeitet jetzt an seiner Doktorarbeit. Früh begann er, sich in dem Verein "dialog e.V. – Vereinigung deutscher und russischer Ökonomen" zu engagieren. Heute ist der 26-Jährige Vorsitzender der Regionalgruppe Tübingen. Es sei ihm aber wichtig, dass er nicht im Namen einer Organisation spreche, betont Alexander immer wieder: Er vertrete hier "ausschließlich meine persönliche Meinung".