Geht es nach den Sozialdemokraten in Dänemark, nimmt das Land bald keine Flüchtlinge mehr auf. Asylbewerber sollen nach Nordafrika geschickt werden. Wie geht es Geflüchteten in Dänemark damit? Seit dreieinhalb Jahren trennen Saer Tohmaz und seine Frau mehr als 4.000 Kilometer. So lange schon lebt der 33-Jährige als Flüchtling in Dänemark, während seine Frau in Syrien ausharrt. Geht es nach Saer, soll das nicht mehr lange so bleiben. Geht es nach Mette Frederiksen, wird Saers Frau Dänemark niemals betreten. Dänemark will Flüchtlinge ausschließen. Scheitert die Integration? Anfang Februar hat Frederiksen, Chefin der dänischen Sozialdemokraten, einen Vorschlag zur Flüchtlingspolitik vorgestellt: Statt in Dänemark sollen Flüchtlinge zukünftig in dänischen Lagern in Nordafrika Asyl beantragen. Im Prinzip würden die Politiker damit das Recht auf Asyl abschaffen - zumindest auf dänischem Boden. Mitten in der Europäischen Union. Dass der Vorschlag ausgerechnet von einer Sozialdemokratin kommt, hat viele Menschen in Dänemark und in Nachbarländern überrascht. Sozialdemokraten setzen sich eigentlich für eine Welt ein, die alle Menschen gleich behandelt und sie in schwierigen Situationen unterstützt. Eben das Gegenteil von asozial. Der Zeitung „The Local Denmark“ gegenüber verteidigte Frederiksen ihren Vorschlag. Sie sagt, sie schütze damit die Flüchtlinge vor der Gefahr, die eine weite Reise aus dem Nahen Osten oder Afrika über das Meer und quer durch Europa nach Dänemark mit sich brächte. We want to reform our asylum system, among other things, by setting up reception centres outside Europe, and in the future it will not be possible for refugees to obtain asylum in Denmark outside quotas set by the United Nations,” said Social Democrats head Mette Frederiksen — Polly Politics (@Polly_Politics) 7. Februar 2018 Außerdem habe Dänemark mit 5,7 Millionen Einwohnern nicht genügend Geld, um nicht-westliche Flüchtlinge in die Gesellschaft einzugliedern. +++ Außerdem bei Orange: Wie meine Uni über Nacht zum Flüchtlingsheim wurde +++ Vielleicht sind Frederiksens Gründe für ihren Vorschlag aber auch viel einfacher: 2019 steht für die Dänen die nächste Parlamentswahl an. Noch ist Mette Frederiksen mit ihrer Partei in der Opposition, hat also bei der jüngsten Wahl nicht genügend Stimmen bekommen, um die Regierung zu bilden. Ihr Vorschlag könnte auch ein Versuch sein, Wählerstimmen zu gewinnen. Weniger Flüchtlinge beantragen Asyl in Dänemark Zeit für ein Gespräch mit einem, den es direkt betrifft: Saer. Wir treffen uns auf einen Kaffee, wie so häufig in Dänemark stürmt und regnet es draußen vor dem Fenster. Aber ich bin nicht nur da, um über das Wetter zu schimpfen. Saer möchte mit mir über seine Erfahrungen als Flüchtling in Dänemark sprechen. In den vergangenen fünf Jahren hat Dänemark etwa 40.000 Flüchtlingen Asyl gewährt. Bei 5,7 Millionen Einwohnern heißt das: Von 150 Menschen ist genau einer ein asylberechtigter Nicht-Däne. Die meisten der Asyl-Antragssteller kommen aus dem Nahen Osten, vor allem aus Syrien. Die Anzahl der Asylbewerber ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesunken. So gab es 2017 nur knapp über 3.000 Asylanträge. Zwei Jahre vorher waren es noch siebenmal so viele. Flüchtlinge in Dänemark 2018: Gekommen, um zu gehen? Es wundert mich, dass vor allem immer weniger Syrer Asyl in Dänemark suchen. Saer hat dafür eine einfache Erklärung – es sei genau die Art von Politik wie bei Frederiksen, die neue Bewerber abschrecke. Daneben, sagt Saer, gebe es noch einen weiteren Grund: die Haltung der Dänen. Von vornherein werde Flüchtlingen immer wieder gesagt: „Ihr bleibt nicht hier, ihr müsst wieder gehen.“ Significant drop in asylum applications in EU. But fewer asylum seekers in Europe doesn’t mean fewer worldwide. On the contrary! Vital that we protect @Refugees where ever they are @EASO @eu_echo https://t.co/BXYOu0XJ34 @DRC_dk — Christian Friis Bach (@christianfbach) 2. Februar 2018 Saer empfindet das als Dilemma: „Man erwartet, dass wir uns anpassen, integrieren, die Sprache lernen und ein Leben aufbauen. Gleichzeitig wird uns immer wieder eingebläut, dass wir nicht hier bleiben dürfen und das Land schnellstmöglich wieder verlassen sollen. Wie funktioniert denn sowas?“ Integration durch Sprachschulen und Grillabende Der Syrer bemüht sich trotzdem, Dänemark zu seinem Zuhause zu machen. Der erste Schritt war für ihn die Sprache: In einem der Sprachzentren von Lærdansk, die sich in jeder größeren Stadt in Dänemark befinden, lernte er zusammen mit anderen Flüchtlingen und Einwanderern nicht nur dänische Vokabeln und Grammatik, sondern auch mehr über die Kultur und Werte des Landes. Wie viele andere Flüchtlinge ging Saer außerdem ein Jahr lang zu einer sogenannten Hojskole – eine Alternativschule, in der Dänen und Ausländer durch soziales Miteinander lernen sollen. In einer Hojskole gibt es keine Prüfungen und keinen festen Studenplan. +++ Außerdem bei Orange: So leben 83.000 Menschen in nur einem Flüchtlingslager +++ Stattdessen soll jeder Schüler das lernen, was ihm Spaß macht. Durch solche Schulen sollen dänische Jugendliche reifer werden – und Flüchtlinge sich integrieren. Saer half seine Zeit an der Hojskole vor allem dabei, sich auf Dänisch zu unterhalten und die dänische Kultur besser kennenzulernen. Die Dänen seien sehr aufmerksam und freundlich, findet Saer. Er verstehe sich gut mit ihnen. „Ich habe dänische Freunde, die mir zum Beispiel beim Grillen gesagt haben, ich solle mein Fleisch zuerst grillen, weil sie danach Schweinefleisch auf den Grill legen würden“, sagt er. Die Flüchtlinge wollen arbeiten – bekommen aber keine Jobs Der Syrer Khaled Omar* hat nicht nur wie Saer dänische Freunde, sondern gleich eine dänische Familie dazugewonnen. Im Rahmen eines Integrationsprogramms lebte er in ihrem Haus und lernte ihren Alltag kennen. Mittlerweile wohnt er allein. Doch Integration bedeutet nicht nur, Dänisch zu lernen und mehr über die neue Kultur zu erfahren, sondern verlangt auch Wertschätzung und Anerkennung – von beiden Seiten. Gerade bei der Anerkennung von Ausbildungen und Berufen vermissen das Khaled und Saer noch. Selbst Flüchtlinge, die mit einer abgeschlossenen Schul- und Uniausbildung nach Dänemark kommen, finden häufig keine Arbeit. +++ Hier bekommst du Orange kostenlos per Whatsapp! +++ Obwohl Khaled zum Beispiel einen Bachelor in Business-Marketing in Damaskus gemacht hat, wollte ihn hier niemand nehmen. Erst nach 180 Bewerbungen fand der Akademiker endlich einen Job: in einer Wäscherei. Saer erging es ähnlich. Nach zahlreichen Absagen entschied er sich widerwillig für ein Studium – erst einmal. Denn Saer will unbedingt arbeiten. Schließlich möchte er Geld verdienen, damit bald auch seine Frau nach Dänemark kommen kann. *Name geändert Die Autorin: Miriam Karout studiert Journalismus in Dänemark.