Computer und Roboter vernichten Arbeitsplätze, warnen Forscher. Terry Gregory vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) behauptet in seiner Studie das Gegenteil. Dieses Interview macht Berufsanfängern Hoffnung. Fast die Hälfte aller Berufe könnte durch Maschinen ersetzt werden. Und: In den kommenden fünf Jahren vernichten Computer und Roboter allein in Deutschland rund drei Millionen Jobs. Mit solchen Aussichten sorgten die Universität Oxford und jüngst der Verband Bitkom für Schlagzeilen. Computer und Roboter ersetzen Mitarbeiter? Keine Panik! Werden wir bald alle arbeitslos? Keine Panik, sagt Terry Gregory. Er untersucht am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Arbeitsmärkte im Wandel. Im Auftrag der Bundesregierung hat sein Team erforscht, wo deutsche Firmen seit 2011 intelligente Maschinen eingesetzt haben und wie sich das auf die Zahl der Arbeitsplätze ausgewirkt hat. Ergebnis der Studie: Computer schaffen mehr Jobs, als sie vernichten. +++ Außerdem bei Orange: In diesen Berufen findest du jetzt die meisten Jobs +++ Unser Autor Max schließt demnächst die Schule ab. Von Terry Gregory wollte er deshalb wissen, was die neuen Erkenntnisse zum Arbeitsmarkt für Berufsanfänger bedeuten. Terry, ich mache demnächst mein Abitur. Müssen meine Schulkameraden und ich Angst haben, dass Computer und Roboter unsere Jobs vernichten? Nein. Diese Angst gab es schon immer. Allerdings war sie bis jetzt immer unbegründet. Wir sehen eher, dass neue Technologie und der Einsatz von Maschinen, Computern und Robotern dafür sorgt, dass die Wirtschaft weiter wächst – und dass schneller neue Arbeitsplätze entstehen, als das alte Jobs wegfallen. Bisher haben aber vor allem Studien für Aufsehen gesorgt, nach denen wegen der Digitalisierung viele Arbeitsplätze verschwinden. Hältst du diese Studien für falsch? Nehmen wir die Studie der Universität Oxford, nach der fast jeder zweite Job durch lernende Maschinen ersetzt werden kann: Diese Studie beruht auf Erkenntnissen von Roboter-Experten. Dabei kommt dann zum Beispiel heraus, dass der Beruf Sekretärin mit 96 Prozent Wahrscheinlichkeit wegfällt. Roboter vernichten Berufe? Nicht den des Sekretärs oder der Sekretärin! Und du siehst diese Gefahr nicht? Die Studie unterschätzt, dass sich Berufe an den digitalen Wandel anpassen. Wir zeigen in einer eigenen Studie beispielsweise, dass sich Sekretäre schon jetzt auf Tätigkeiten besinnen, die nicht oder nur schwer von Computern übernommen werden können. Schaut man auf konkrete Arbeitsplätze statt auf Berufe, ist nur noch jeder zehnte Job in Gefahr. Welche Tätigkeiten sind das, die nur Menschen können? Zum Beispiel planen, organisieren, überzeugen, lesen und verstehen von anspruchsvollen Texten oder Probleme lösen. Hier haben Menschen einen Vorteil. +++ Hier bekommst du Orange kostenlos per Whatsapp! +++ Ich will später unbedingt einen sicheren Arbeitsplatz haben. Angenommen, ich will direkt eine Ausbildung machen. Welchen Beruf sollte ich erlernen? Du solltest Berufe erlernen, die von Computern nicht so leicht übernommen werden können. Also Jobs, bei denen man stark analytisch denken, kreativ sein oder Menschenverstand aufbringen muss. Wie sieht es mit Handwerksberufen aus? Berufe wie Maler, Tischler oder Dachdecker wird es weiter geben. Die werden sich aber verändern. Im Handwerk könnte es zum Beispiel wegfallen, einfach nur Dinge von A nach B zu tragen oder zu fahren. Oder Bestelllisten auszufüllen. Dadurch können sich die Handwerker dann mehr auf die eigentliche, kreative Arbeit konzentrieren. Sich eine neue Form für einen Stuhl oder einen Boden ausdenken – das können Maschinen nicht so einfach. Und welche Berufe sollte ich eher nicht erlernen? Berufe, bei denen man regelmäßig das gleiche macht. Zum Beispiel Fließbandarbeit. Aber auch Jobs, bei denen man viele einfache Dinge mit den Händen macht: Kassierer-Jobs, oder Autofahren. Der Taxi-Job könnte einmal von Robotern übernommen werden. Roboter vernichten Berufe? Nicht den des Personalers oder des Marketing-Strategen! Jetzt nehmen wir an, ich will nach der Schule studieren. Welches Fach sollte ich wählen, wenn ich vor Computern und Robotern sicher sein will? Am besten Fächer, bei denen Mathematik oder Programmieren gefragt ist. Zum Beispiel Ingenieurwissenschaften. Computer durchdringen alle Bereiche. Es wird immer wichtiger und anspruchsvoller, diese bedienen zu können. Was ist mit Personalführung, Marketing oder Kommunikationswissenschaften? Ja, auch das sind Bereiche, in denen Menschen einen Vorteil gegenüber Roboter haben und die auch in Zukunft stark nachgefragt werden. +++ Außerdem bei Orange: Wie viel verdient ein Investmentbanker? +++ Wie sollten sich Berufseinsteiger denn heute generell aufs Arbeitsleben vorbereiten? Müssen wir alle Programmieren lernen? Nein. Auch wenn das eine Tätigkeit ist, die in vielen Bereichen immer wichtiger wird. Also wer Spaß daran hat und das Verständnis dafür aufbringt, wird später sehr gefragt sein. Aber es gibt auch viele andere Berufe und Studiengänge. Vor allem ist es wichtig, dass sich die Lerninhalte ändern: Man muss nicht unbedingt etwas ganz neues studieren, aber die Inhalte müssen sich an die neue Zeit anpassen und das ist Aufgabe der Politik und der Hochschulen. Woran denkst du da konkret? Nehmen wir den modernen Handwerker. Der benutzt schon jetzt längst digitale Messgeräte bis hin zu einem 3D-Drucker. Auch mein Job als Wissenschaftler hat sich verändert. Ich nutze Computer und Software, um große Datenmengen auszuwerten und meine Forschungsfragen zu beantworten. Das war vor 50 Jahren noch nicht so. Ein Verständnis für Technik wird somit immer wichtiger und gehört in den Lehrplan. Ihr sagt in eurer Studie, dass es immer mehr Nachfrage nach Mitarbeitern gibt, die Maschinen und Roboter bauen. Aber was passiert, wenn auch diese Prozesse eines Tages automatisiert werden? Es ist nicht neu, dass Roboter und Computer in der Produktionshalle Arbeitsplätze verdrängen. Das werden wir hier auch sehen. Gleichzeitig entstehen aber ein Stockwerk höher neue Jobs für Planer, Ingenieure und andere Fachkräfte, die diese Produkte entwickeln und vermarkten. Aber reicht das aus, damit weiter alle einen Job haben? Ja, das ist das Ergebnis unserer Studie. Es entstehen insgesamt mehr Jobs als unten in der Fabrikhalle verloren gehen. Zum einen stellen die Firmen mehr Mitarbeiter ein, die noch dazu sehr hoch qualifiziert sein müssen und dadurch gut verdienen. Und zum anderen können diese Mitarbeiter dann mehr Geld ausgeben – und das schafft wieder neue Jobs an anderen Stellen der Wirtschaft, zum Beispiel in Restaurants oder in Klamottengeschäften. Im Moment läuft es in der deutschen Wirtschaft sehr gut und es haben so viele Menschen Arbeit wie noch nie. Was passiert, wenn mal wieder ein Abschwung kommt? Gerade moderne Technik kann helfen, wenn die Wirtschaft in Schwierigkeiten gerät. Denn damit lässt sich im Anschluss wieder der Aufschwung beschleunigen. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass heute so viele Menschen Geld mit dem Programmieren von Apps verdienen? Das ist eine Branche, die es so vorher noch nicht gab. Wir wissen gar nicht, was noch alles an neuen Branchen und Jobs entstehen wird. Roboter vernichten Berufe? Weiterbildung hilft! Ihr sagt, dass vor allem anspruchsvollere Berufsfelder in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Welche Chancen haben Menschen am Arbeitsmarkt, die den Aufgaben dieser Felder nicht gewachsen sind? Das wird die große Herausforderung für die Politik sein. Technologischer Wandel führt zwar zu neuen Jobs. Allerdings gibt es immer auch Verlierer. Das sind zum Beispiel ältere Menschen oder Leute, denen es schwerfällt, sich anzupassen. Diese Menschen müssen Unterstützung von der Politik bekommen. Das klingt mir ein bisschen zu einfach. Wenn Maschinen zu viele Jobs zerstören, muss eben die Politik herhalten. Nicht nur die Politik. Auch Betriebe sollten helfen, ihre Mitarbeiter stärker auf den digitalen Wandel vorzubereiten, etwa mithilfe gezielter Weiterbildung. Und auch jeder einzelne hat eine Verantwortung, sich für den Arbeitsmarkt der Zukunft fit zu machen. +++ Außerdem bei Orange: Frauen verdienen weniger. Weil sie nicht mehr fordern. +++ Kannst du dir eine Welt vorstellen, in der die Menschen fast nur noch Maschinen für sich arbeiten lassen und dafür jeder ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommt? Das Problem mit dem Grundeinkommen ist, dass jeder einfach so Geld bekommt, obwohl er es vielleicht gar nicht bräuchte. Ich finde, dass wir vor allem denen helfen sollten, die Probleme mit dem technologischen Wandel haben. Wie soll diese Hilfe aussehen? Ich befürworte zum Beispiel eine negative Einkommenssteuer. Damit könnte der Staat Geringverdiener bezuschussen, damit sich Arbeit für sie wieder lohnt. Das bedingungslose Grundeinkommen wird ja oft aus Sorge genannt, dass es wegen der Digitalisierung bald viel mehr Arbeitslose geben wird. Aber das ist ja gerade nicht der Fall, wie unsere Studie zeigt. Terry, vielen Dank für das Interview.