Dreiste Werbung: Der Bundesgerichtshof hat einer Brauerei verboten, ihr Bier „bekömmlich“ zu nennen. Unsere Autorin war im Supermarkt – und hat jede Menge zweifelhafte Etiketten gefunden. Wenn du mal einen über den Durst getrunken hast, wirst du wissen: Bier kann ziemlich fiese Nachwirkungen haben. Jedenfalls ist das Zeug ab einer bestimmten Menge alles andere als „bekömmlich“. So hatte die Allgäuer Brauerei Härle ihr Bier auf dem Etikett bezeichnet. Der Verband Sozialer Wettbewerb klagte dagegen und es entstand ein jahrelanger Rechtsstreit. Zweimal urteilten Richter, dass die Brauerei ihr Bier nicht „bekömmlich“ nennen darf. Doch der Brauereichef gab nicht auf und legte Berufung ein – und so landete der Fall schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Am Donnerstag urteilte der BGH in Karlsruhe: „Für Bier darf nicht mit der Angabe "bekömmlich" geworben werden.“ Die Begründung vereinfacht ausgedrückt (hier findest du das Original): „Bekömmlich“ kann als „gesund“ verstanden werden. Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol dürfen in Deutschland aber keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen. +++ Außerdem bei Orange: Warum Nestlé so unbeliebt ist +++ Die Brauerei hat sich also eine Werbelüge erlaubt. Ist sie damit ein Einzelfall? Das will ich herausfinden und mache mich auf in den nächsten Supermarkt. Ich suche Produkte, auf denen die Hersteller andeuten, dass Verbraucher damit etwas Gutes für ihre Gesundheit tun. Zur Unterstützung habe ich den Verbraucherschützer Dario Sarmadi von Foodwatch am Telefon. Anschließend konfrontiere ich die Hersteller mit meiner Recherche. Nesquik Kakao: Gesund ist anders. Erster Check: Nestlé bewirbt sein „Nesquik“ als idealen Start in den Tag. Aber stimmt das auch? Auf der Verpackung läuft mir ein munterer Hase in Jeans und T-Shirt entgegen. Er deutet auf ein Siegel, auf dem „das Plus zur Milch“ steht. Nesquik Kakao enthalte wichtige Vitamine und die Milch, in die der Kakao gemischt wird, sei schließlich ein gesundes, calciumhaltiges Getränk. Deshalb soll der Kakao auch ein empfehlenswerter Bestandteil eines ausgewogenen Frühstücks sein. Klingt gut, oder? Verbraucherschützer Dario sieht das anders: „Der Kakao von Nesquik, aber auch die Nesquik-Cerealien, sind ein klares Beispiel für legale Täuschung im Supermarkt. Warum aber darf der Hersteller seinen Zuckerbomben dann einen gesunden Anstrich geben? +++ Hier bekommst du Orange kostenlos per Whatsapp! +++ Dazu verwendet Nestlé einen beliebten Trick: Der Konzern fügt dem Getränkepulver ein paar künstliche Vitamine hinzu. Das ist frech – aber legal: Zwar hat die Europäische Union (EU) 2007 eine „Health-Claim-Verordnung“ verabschiedet, um Verbraucher vor falschen Gesundheitsversprechen zu schützen. Hersteller dürfen aber mit zugesetzten Vitaminen werben, sobald die Zutat von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA geprüft wurde. „Die Hersteller torpedieren die Bemühungen von Verbrauchern, sich selbst und ihre Kinder gesund zu ernähren“, sagt Dario. Im Fall der Nesquik-Werbung sei der Werbe-Trick besonders fies, weil der Comic-Hase auf der Verpackung Kinder anspreche. Und was sagt Nestlé dazu? Eine Sprecherin des Unternehmens bestreitet den Vorwurf, der Konzern verlocke Kinder mit ungesunden Produkten und falschen Versprechen. Kinder in Deutschland würden nachweislich zu wenig Milch trinken, sagt die Sprecherin. „Nesquik Kakaogetränkepulver kann dazu beitragen, Kindern ein Glas Milch schmackhafter zu machen und somit den Milchkonsum zu erhöhen.“ Nimm 2 Lollys: Vitamine als Werbemittel Zweiter Check: „Vitamine und Naschen“ – so wirbt Storck für seine Nimm 2-Bonbons und Lollys. Klingt nach einer Win-Win-Situation. Der Gewinner ist hier aber nur der Hersteller und ganz bestimmt nicht der Kunde, warnt Foodwatch-Sprecher Dario: „Die Vitamine wurden nachträglich hinzugefügt, um eine Süßigkeit gesünder aussehen zu lassen.“ +++ Außerdem bei Orange: Discounter vs. Marken: Lohnt sich billig kochen? +++ Damit konfrontiert, wehrt sich der Pressesprecher von Storck: Sein Unternehmen habe kein Interesse, darüber hinwegzutäuschen, dass nimm2-Produkte Süßigkeiten seien. „Es gibt sicher niemanden, der den Süßwaren-Charakter dieses Lebensmittels verkennen würde“, sagt er. Für Dario ist das kein Argument: „Würde der Marketing-Trick nicht funktionieren, würden ihn die Hersteller nicht anwenden.“ Monster Energy Drink: ungesund viel Koffein Dritter Check: „Monster Energy, mit B-Vitaminen und Koffein, hilft zur Verringerung von Müdigkeit beizutragen. Du wirst dich einfach verdammt gut fühlen“, heißt es auf der Dosenrückseite eines Energy-Drinks der Marke „Monster“. Doch das viele Koffein und Taurin in Energy-Drinks können zu Herzrhythmusstörungen führen, warnt Dario. Da helfe es auch nicht, ein wenig Vitamin-B hinzuzufügen und mit Gesundheitsversprechen zu werben. +++ Außerdem bei Orange: Warum kaufen Menschen Markenprodukte? +++ Der Verbraucherschützer hält das sogar für gefährlich. Denn die Zielgruppe von Energy-Drinks sei „jung und beeinflussbar“. In Deutschland vertreibt Coca-Cola European Partners die Marke Monster Energy. Ich bitte das Unternehmen um eine Stellungnahme, doch auf meine Anfrage will sich niemand äußern. Amecke-Fruchtsaft: Vitamine und Zucker Vierter Check: Wer Amecke-Fruchtsaft trinkt, schützt seine Zellen mit Vitamin C und E. Das verspricht die lila Verpackungsvorderseite, auf der allerlei Früchte abgebildet sind. Gesund sind Fruchtsäfte aber nur, wenn du sie nicht literweise in dich hineinschüttest. Besser ist es, seinen Vitaminbedarf mit Obst zu decken, empfiehlt Foodwatch-Sprecher Dario. „Obwohl hier extra Vitamine hinzugefügt wurden, ist Amecke-Saft kein gesunder Durstlöscher, weil er viel Zucker enthält.“ +++ Außerdem bei Orange: Teuer vs. Billig: So viel sparst du beim Discounter +++ Generell seien Saftverpackungen nicht durchschaubar genug für Verbraucher, weil auf der Vorderseite oftmals nicht angegeben wird, ob es sich um Direktsaft, Fruchtsaftkonzentrat oder ein aromatisiertes Getränk handelt. Amecke schickt mir auf Anfrage eine E-Mail: "Amecke Plus Antioxidantien gehört zur Produktlinie Amecke Plus." Diese richte sich an Verbraucher, die ihre Ernährung um bestimmten Vitamine und Mineralstoffe ergänzen möchten. Wie genau Unternehmen ihre Worte wählen, zeigt sich am Ende der Mail: "Das Wort 'gut' bei 'für den Zellschutz' nutzen wir ausdrücklich nicht." Meßmer Tee: gesund aber irreführend Fünfter Check: Wer sich im Teeregal umsieht, hat den Eindruck, eine Apotheke vor sich zu haben. Da bringt ein Tee mehr Abwehrkräfte, ein anderer hilft beim Schlafen oder gegen Blasenentzündungen. „Tees sind gesunde Durstlöscher“, sagt Verbraucherschützer Dario. Allerdings werde der Verbraucher oft mit falschen Abbildungen auf der Verpackung irregeführt. +++ Außerdem bei Orange: Warum du nicht mehr als 13 Cent für einen Liter Mineralwasser ausgeben solltest +++ So verspricht die Verpackung des Meßmer-Wohlfühltees „Abwehrkräfte“ einen Tee aus Ingwer und Olivenblättern. Die Hauptzutaten sind aber Apfel und Minze. UPDATE: Ein Sprecher von Meßmer erklärt dazu: "Die Deklaration entspricht in vollem Umfang den gesetzlichen Vorgaben. Die hervorgehoben Zutaten Olivenblätter und Ingwer werden entsprechend mit ihren prozentualen Anteilen im Zutatenverzeichnis genannt." Weiter erklärt der Sprecher: "Der Artikelname Abwehrkraft führe Verbraucher nicht in die Irre. "Dem Produkt wurde Vitamin C zugesetzt. Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei. Hierbei handelt es sich um einen von der Europäischen Kommission zugelassenen Health Claim." Actimel darf keine Abwehrkräfte mehr aktivieren Sechster Check: „Actimel aktiviert Abwehrkräfte.“ Für diesen Slogan erhielt Hersteller Danone 2009 von Foodwatch den Preis für die dreisteste Werbelüge. Die damalige Begründung: „Actimel schützt nicht vor Erkältungen – es stärkt das Immunsystem nur ähnlich gut wie ein herkömmlicher Naturjoghurt, ist aber vier Mal so teuer und doppelt so zuckrig. Die Werbung von Danone ist ein großes probiotisches Märchen.“ +++ Außerdem bei Orange: Essen wir bald Fleisch aus dem Labor? Ja, sagt der Wiesenhof-Chef! +++ An dem Produkt selbst hat sich heute nicht viel verändert – nur das Gesundheitsversprechen ist ein anderes. Actimel unterstützt nun angeblich das Immunsystem. Was sagt Danone dazu? Eine Sprecherin betont, dass die Wirkung der Actimel-Vitamine auf das Immunsystem wissenschaftlich belegt sei und durch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bescheinigt wurde. Fazit: Die Lebensmittelindustrie steht unter Druck Die Konkurrenz auf den Lebensmittelmarkt ist groß - und das merkt man. Die Hersteller kämpfen mit allen Tricks, um uns ihre Produkte als gesund zu verkaufen. Denn das Bedürfnis nach gesunder Ernährung steigt. Da wird eine schokoladige Zuckerbombe schon mal zum "idealen Start in den Tag". Eigentlich sollte jeder in der Lage sein, sich trotz der Werbelügen gesund zu ernähren. Ich halte mich an eine einfache Regel und bevorzuge Naturprodukte. Statt dem fertigen Fruchtquark aus dem Kühlregal kaufe ich Magerquark und schnipple mir eine Banane rein. Das ist zwar manchmal etwas nervig - aber deutlich billiger und vor allem gesünder als den Vitaminbedarf mit Obstsäften und Nimm2-Bonbons zu stillen und bei Calcium und Proteinen auf Schokomilch und Actimel zu setzen. In einer früheren Version des Artikels hieß es zum Meßmer-Wohlfühltee „Abwehrkräfte“: "Die Pressestelle von Meßmer beantwortete meine Anfrage dazu nicht." Am 25. Mai 2018 ließ uns Meßmer eine Stellungnahme zukommen. Diese haben wir nachträglich im Artikel berücksichtigt. Mehr von Orange zu Lebensmitteln: Weniger Smarties fürs gleiche Geld: Wie Nestlé Preise erhöht Nestlé-Kritik: Warum ist Nestlé so unbeliebt? Niemand produziert so viel Nahrung wie Nestlé. Diese Marken solltest du kennen. Dr. Oetker hat mehr als 400 Töchter. Diese solltest du kennen.