Magazino baut Roboter, die einzelne Schuhkartons aus Regalen holen können. Um Onlinehändler wie Zalando zu überzeugen, musste das Start-up seine erste Geschäftsidee komplett umstellen. Roboter Toru fährt an ein Regal heran. Mit einer 3D-Kamera erkennt er den Stapel Schuhkartons, fährt seinen Roboterarm mit sechs Saugnäpfen aus. Er saugt sich an dem unteren fest, zieht den Stapel heraus. Die oberen Kartons schiebt er zurück ins Regal, den unteren verstaut er in einem der Fächer in seinem Inneren. Magazino Toru: Dieser Roboter ersetzt Lagermitarbeiter Den Roboter Toru hat das Münchner Startup Magazino entwickelt. Das Unternehmen stellt Roboter her, die einzelne Objekte greifen und mit Menschen zusammen in einem Warenlager arbeiten können. Die Roboter können zum Beispiel Schuhkartons für den Versand aus dem Regal holen und so eine Bestellung zusammenstellen. Sie sind mit einer intelligenten Objekterkennung ausgestattet und können zum Beispiel einen Karton zielgenau greifen, egal, wo er gerade liegt. Dabei können sie auch Entscheidungen treffen, wenn zum Beispiel etwas im Weg ist. In der Roboterbranche gibt es nur wenige einsatzbereite Roboter, die all dies schon können. Toru arbeitet dort, wo immer weniger Menschen hinmöchten: in Warenlagern. Die Bundesvereinigung Logistik veröffentlichte im April 2017 eine Umfrage, an der 112 Betriebe teilnahmen. Vier von zehn gaben an, dass in ihrem Betrieb Lagermitarbeiter fehlten. Etwa 80 Prozent der Befragten erwarteten, dass sich der Fachkräftemangel insgesamt in den nächsten zehn Jahren negativ auf den Erfolg ihres Unternehmens auswirken werde. Jüngst haben wir weitere Analysen der Ergebnisse unserer #Fachkräfte-Umfrage veröffentlicht - daraus entstand u.a. dieser Beitrag. ^as https://t.co/WMgEockzdk — BVL Office (@BVLoffice) 18. Juli 2017 Roboter können fehlende Mitarbeiter ersetzen und die Menschen, die im Lager arbeiten, entlasten. Frederik Brantner ist einer der drei Gründer von Magazino. Er sagt: „Der Roboter soll dem Menschen helfen, die beschwerlichen Aufgaben zu übernehmen.“ Er könne zum Beispiel überwiegend die Aufträge mit langen Laufwegen erledigen oder Dinge aus den unteren Regalfächern holen. Dadurch dass der Roboter mit Menschen zusammen im Lager arbeiten kann, müssen Unternehmen nicht ihr ganzes Lager auf einmal automatisieren. „Kunden können erst einmal mit drei oder vier Robotern starten“, sagt Florin Wahl, Pressesprecher von Magazino, „und wenn das Lager schnell wächst, weitere dazukaufen.“ Wie funktioniert der Magazino-Roboter Toru? Wie viel ein Roboter kostet, möchte Wahl nicht verraten. Das hänge jeweils vom Projekt ab. „Im Vergleich zum Menschen ist der Roboter etwa 30 Prozent günstiger, was die Kosten pro Pick angeht“, sagt Wahl. „Nach weniger als drei Jahren haben sich die Kosten für die Roboter amortisiert.“ Pick bedeutet, dass der Roboter ein Teil aus dem Regal nimmt. Amortisiert hat er sich, wenn das Unternehmen bei den Löhnen so viel Geld gespart hat, wie es für den Roboter ausgegeben hat. Bisher seien 16 Roboter bei Unternehmen im Einsatz, sagt Wahl. Zuvor habe es schon schon Roboter gegeben, die ganze Regale bewegen können, sagt Anja Stubbe, Pressereferentin der Bundesvereinigung für Logistik (BVL). Ein Roboter wie Toru, der einzelne Objekte aus den Regalen holen kann, sei aber neu. „Die Herausforderung besteht in der Sensorik“, sagt Stubbe. „Roboter wie dieser müssen in der Lage sein, Objekte unterschiedlichster Größe und Beschaffenheit zu erkennen und wunschgemäß damit umzugehen.“ https://www.youtube.com/watch?v=kj8NaHAoLJw Magazino-Roboter im Einsatz: mehr als eine Million Paar Schuhe im Lager. Es sei eine große Herausforderung, einem Roboter beizubringen, sich in der realen Welt zurecht zu finden, sagt auch Wahl. „Ein Baby kann nach dem Schnuller greifen. Aber für den Roboter ist dieselbe Hand-Auge-Koordination unglaublich schwierig.“ Ein Roboter, der im Büro von Magazino steht, ist mit einem Laptop verbunden. Der Bildschirm zeigt, wie der Roboter seine Umgebung sieht. Wahl läuft näher an den Roboter heran. Auf dem Bildschirm tauchen Farbflecken auf, die sich bewegen – Wahls Füße. Magazino wurde 2014 gegründet und hat 90 Mitarbeiter Kommt ein Roboter neu in einen Betrieb, muss er einmal durchs Lager fahren und scannt seine Umgebung. Dann bekommt er ein 3D-Modell vom Lager – man muss ihm die Regalstruktur zeigen, damit er weiß, wo sich die Kartons befinden können. Das dauere ein paar Stunden, sagt Wahl. „Wenn man das mit einem Roboter gemacht hat, kann man es quasi mit Copy-Paste auf die anderen übertragen.“ Die Entwickler versuchen ständig, die Software zu verbessern. Im Büro von Magazino lassen sie einen Roboter hin und her fahren, um Neues zu testen. Magazino hat heute etwa 90 Mitarbeiter. Seit der Gründung 2014 ist das Startup schnell gewachsen. Ein Automat aus der Anfangszeit dient heute als kleiner Konferenzraum, in dem zwei bis drei Menschen sitzen können. Er heißt Maru und wurde für Apotheken entwickelt. Er konnte die Medikamente nach den Bestellungen zusammenstellen. Den Gründern wurde aber bald klar, dass die Konkurrenz in diesem Bereich schon zu groß war. Sie gaben Maru auf und konzentrierten sich auf Roboter, die Bestellungen in größeren Warenlagern holen können. „Es ist eine schwierige Entscheidung als junges Startup, ein Produkt komplett abzusägen“, sagt Wahl. „Aber für uns war es eine der wichtigsten Entscheidungen.“ 2017 hat Magazino mehr als eine Million Umsatz gemacht. Dieses Jahr werde es deutlich mehr sein, sagt Wahl. Momentan macht Magazino noch Verlust – ab 2020 möchte das Unternehmen Gewinn machen. Ende Februar hat Magazino eine Finanzierungsrunde in Höhe von 20,1 Millionen Euro abgeschlossen. Zu den Investoren gehören unter anderem Zalando und Fiege Logistik. Wird Amazon eine Konkurrenz für Magazino? Fiege Logistik nutzt bereits drei Roboter in seinem Schuhlager, 30 weitere hat das Unternehmen bestellt. „Die Roboter arbeiten mit und tun, was wir von ihnen erwarten“, sagt Reinhard Baune, der bei Fiege für die Roboter von Magazino zuständig ist. Die Anzahl der Aufträge, die der Roboter in einer Stunde erledigen kann, liege aktuell bei etwa 80 Prozent von dem, was sich das Unternehmen erwarte. „Wir gehen aber davon aus, dass die Roboter bis Ende Mai bei 100 Prozent sind.“ +++ Hier bekommst du Orange kostenlos per Whatsapp! +++ Es sind Kleinigkeiten, die bei der Arbeit im Lager auffallen. „Vor ein paar Wochen gab es eine Situation“, sagt Baune, „da hat der Roboter einen großen Schuhkarton auf einen kleinen gestapelt, obwohl er es genau umgekehrt machen soll.“ Für die Entwickler von Magazino sind solche Informationen aus der Praxis wertvoll. Sie helfen, die Software der Roboter weiter zu verbessern. Der Versandhändler Amazon zeigt mit hochautomatisierten Lagern, wohin sich die Branche entwickelt. Weltweit drehen bei Amazon in den Versandhallen mehr als 80.000 Roboter ihre Runden. Die Amerikaner haben 2012 für 775 Millionen Dollar den Lagerroboterhersteller Kiva Systems übernommen. Die Roboter setzt Amazon aber ausschließlich bei sich selbst ein und ist damit zumindest keine Konkurrenz für Magazino bei anderen Versandunternehmen. Mehr von Orange zu Robotern: Roboter bedrohen deinen Job? Kein Panik! Bei Levi's lassen Roboter Jeans und Arbeiter alt aussehen Wann gewinnen Roboter gegen Menschen im Fußball?