In den Neunzigern brauten sie Deutschlands beliebtestes Bier, dann kam der Absturz. Jetzt meldet Warsteiner wieder Erfolge – aus vier Gründen. Einer davon: Unternehmensberater. Wie macht man aus dem Geschäftsführer einer Firma einen Facharbeiter? Ganz einfach: Haare blond färben, den Bart grau, AC/DC-Shirt anziehen – und darunter einen „Fatsuit“, für die Bierplauze. Zakk feddich, so schnell wird der Manager zum Malocher. Für die RTL-Show „Undercover Boss“ hat sich Christian Gieselmann, Boss der Brauerei Warsteiner, tagelang als Hilfsarbeiter „Stefan“ getarnt, um in seinem eigenen Unternehmen mal so richtig anzupacken. Warsteiner: Das Comeback der Pils-Brauerei Der Trailer zeigt den 47-Jährigen beim Bier zapfen, Tische wischen und Maschinen reparieren. Körperliche Arbeit gehöre eigentlich nicht zum Stellenprofil von Gieselmann, schreibt sein Arbeitgeber Warsteiner in einer Pressemitteilung. Aber: „Als die Anfrage für ‚Undercover Boss’ auf dem Tisch lag, war mir klar, dass wir mitmachen“, sagt Catharina Cramer, Inhaberin von Warsteiner – und damit der eigentliche Boss des Unternehmens. Ein Grund für die Zusage war sicherlich auch, dass Millionen Menschen an diesem Montagabend im Fernsehen dabei sind, wenn Gieselmann die Einsichten des verdeckten Praktikums mit Chefin Cramer bespricht und dabei mit Warsteiner Pils anstößt, stilecht im Tulpenglas. Prost, auf die Aufmerksamkeit. Die kostenlose Werbung kann die Traditionsbrauerei gut gebrauchen, damit statt Kater- endlich wieder Aufbruchstimmung einkehrt. Mitte der Neunziger Jahre war „das einzig Wahre“ Warsteiner in aller Munde und Kehlen, Deutschlands Biermarke Nummer eins verkaufte mehr als sechs Millionen Hektoliter pro Jahr, das entspricht täglich mehr als 11.000 vollen Badewannen. Doch seitdem ging es abwärts, weil die Deutschen weniger Bierdurst haben und vor allem die junge Generation Alkohol kritischer betrachtet. Mittlerweile ist Krombacher Deutschlands Biermarktführer, Warsteiner liegt abgeschlagen auf Platz sieben – und der Absatz ist nur noch ein gutes Drittel so hoch wie zu Bestzeiten. Im vergangenen Jahr musste die Firma 150 Stellen abbauen. Kann das Unternehmen, dessen Geschichte bis ins Jahr 1753 zurückgeht, den Hahn nochmal rumreißen? Aktuelle Zahlen sprechen zumindest für ein kleines Comeback: 2018 produzierte die Brauerei erstmals wieder mehr Bier als im Jahr davor. Das lag natürlich auch daran, dass der Rekordsommer plus Fußball-WM den Durst in Deutschland steigen ließ. Aber während der gesamte Biermarkt nach Schätzungen des Branchenmagazins Inside um die 1,5 Prozent wuchs, steigerte Warsteiner den Absatz nach eigenen Angaben um fast sieben Prozent. Wir zeigen dir vier Gründe für den Erfolg. Warsteiner-Comeback – Grund 1: Preis Alle großen Brauereien haben 2018 in Deutschland die Preise erhöht – mit einer Ausnahme: Warsteiner. „Der Preis für einen Kasten lag fast immer unter zehn Euro, einige Male auch unter neun Euro“, sagt Niklas Other, Herausgeber von Inside. Weil Hersteller wie König Pilsener oder Veltins im Schnitt elf Euro pro Kiste nahmen, konnte Warsteiner mit ständigen Sonderangeboten einige Marktanteile bei der Konkurrenz abzapfen, sagt der Branchenexperte. Hat sich Warsteiner den höheren Absatz also „erkauft“? Schließlich bedeuten geringere Preise auch, dass der Umsatz pro Kasten geringer ist – und damit möglicherweise auch die Gewinne. „Angaben zur Preisstrategie und zum Gewinn machen wir nicht“, antwortet Warsteiner-Sprecherin Sinje Vogelsang am Telefon. Sie sieht die Gründe für den höheren Absatz nicht bei niedrigeren Preisen, sondern neben dem Wetter vor allem bei einem anderen Kastendesign und einer neuen Kampagne. Das führt uns zu Punkt zwei. Warsteiner-Comeback – Grund 2: Werbung und Marke Im Sommer 2018 hat Warsteiner eine neue Werbekampagne gestartet. Nicht mehr mit Fußballtrainer Jürgen Klopp als Markenbotschafter, sondern fokussiert auf das Bier und mit neuem Slogan: „Nichts ist erfrischender als die Wahrheit“. Es sei bewiesen, dass die TV-Spots die Kaufbereitschaft der Kunden erhöht haben, sagt Sprecherin Sinje Vogelsang. Branchenexperte Niklas Other entgegnet, dass der Erfolg solcher Kampagnen schwer messbar sei. In jedem Fall habe es Warsteiner aber geschafft, die Marke optisch neu aufzustellen: Im Logo steht jetzt nichts mehr von der „Königin unter den Bieren“, stattdessen ist der Markenname größer und das Gründungsjahr besser sichtbar. https://www.youtube.com/watch?v=YmLOSta1a-o Warsteiner-Werbung: „Zum Glück gibt's nicht nur eine Wahrheit“. Außerdem hat die Bierkiste eine neue Farbe bekommen, ein dezentes Gold ersetzt das leuchtende Gelb. „Wo der Kasten neu eingeführt wurde, gab es ein Absatzplus“, sagt die Brauereisprecherin. Unterm Strich erklärt das auch möglicherweise die Preispolitik: 2018 wollte Warsteiner den Fokus eher auf eine optische als auf eine preisliche Veränderung setzen – schließlich soll der Kunde ja nicht denken, dass der Euro mehr pro Kasten ins Design statt in die Braukunst fließt. Warsteiner-Comeback – Grund 3: Alkoholfrei Den meisten Absatz macht Warsteiner immer noch mit seinem „Premium Pilsener“, das größte Wachstum aber verzeichnen die alkoholfreien Sorten. 2018 sei die hergestellte Menge im zweistelligen Prozentbereich gewachsen, teilt das sauerländische Unternehmen mit. „Bei den alkoholfreien Bieren profitiert Warsteiner vom Gesamttrend und hat beim Sortiment deutlich mehr gemacht als andere Wettbewerber“, sagt Branchenexperte Olaf Hendel von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin. Die Sorten Pilsener, Herb und Radler gibt es jeweils ohne Alkohol und das Pils wurde sogar zum Testsieger der Stiftung Warentest. Insgesamt liegt der Anteil der alkoholfreien Biere am gesamten Absatz von Warsteiner jedoch bei unter fünf Prozent, hat also einen geringen Einfluss auf das Gesamtergebnis. Warsteiner-Comeback – Grund 4: Unternehmensberater Wenn Unternehmen in der Krise stecken, holen sie sich gerne Unternehmensberater ins Haus, um auf neue Ideen zu bekommen und schwierige Entscheidungen „von außen“ absegnen zu lassen. So war es auch bei Warsteiner: 2017 holte die Brauerei über Monate mehrere Berater von Roland Berger ins Unternehmen, um zu schauen, an welchen Stellen sich Geld sparen und dafür an anderer Stelle ausgeben lässt. +++ Dieses Gehalt verdienst du als Unternehmensberater zum Einstieg +++ Das Ergebnis war neben dem Streichen von 150 Stellen („Bürokratieabbau“) und dem Verkauf von drei Getränkemarktketten auch eine Rotation in der Geschäftsführung: Der aktuelle Geschäftsführer und „Undercover Boss“ Christian Gieselmann war vorher Partner bei Roland Berger und hatte das Warsteiner-Projekt geleitet. Außerdem sitzt im Beirat des Unternehmens (einer Art Aufsichtsrat) ebenfalls ein ehemaliger Berger-Berater, und der Finanzchef Carsten Rockholtz ist auch Ex-Berater, er startete seine Karriere bei Kienbaum. Wie sich der frühere Berater und heutige Geschäftsführer Christian Gieselmann als Hilfsarbeiter angestellt hat, schaut sich die Belegschaft diese Woche gemeinsam im Fernsehen an, bei einem „internen Rudelgucken“, wie sie es bei Warsteiner nennen. Für Getränke dürfte jedenfalls reichlich gesorgt sein. Mehr Bier von Orange: Veltins erhöht den Preis und hat damit Erfolg. Wie geht das? Warum zahlen Menschen so viel Geld für Tannenzäpfle? Die größten Bierbrauer der Welt