Steine gegen Wasserwerfer: In Hongkong begann die Woche mit heftigen Kämpfen zwischen Demonstranten und der Polizei. China-Korrespondentin Dana Heide berichtet aus der Stadt. (Artikel vom Handelsblatt) Es ist 12.35 Uhr am Montagmittag als plötzlich mitten im Geschäftsviertel Central von Hongkong schwarz gekleidete junge Frauen rote Pylone auf die Straße zerren. Drei junge Männer tragen Pflastersteine in einer blauen Ikea-Tasche heran und verteilen sie auf der gegenüberliegenden Straße. Autos müssen anhalten. Hongkong-Proteste: Polizei und Demonstranten im Kampf Passanten schauen dem Treiben zu. „Oh nein, es geht los, weg hier“, sagt eine Touristin. Dann geht alles ganz schnell. Immer mehr Menschen versammeln sich innerhalb von Minuten auf der nun blockierten Kreuzung vor einer Filiale von Louis Vuitton. Es sind junge Frauen und Männer in eng geschnittenen Anzügen, glänzenden Schuhen, schicken Kleidern. Sie kommen von der Arbeit bei einer der Großbanken, Beratungsfirmen oder anderen internationalen Unternehmen. Sie nutzen ihre Mittagspause, um zu demonstrieren. „Kämpft für die Freiheit“, rufen sie, „Steht Hongkong bei!“ Zwischen den Ausrufen: gespenstische Stille. Nur das Brummen der Klimaanlagen in den Hochglanz-Hochhäusern ist zu hören und das Klacken von geworfenen Pflastersteinen auf Asphalt. „Rettet die Studenten, rettet die PolyU“, rufen die mittlerweile mehreren Hundert Protestler. Sie sorgen sich um die jungen Menschen, die sich seit Samstagnacht ein paar Kilometer weiter eine heftige Schlacht mit der Polizei liefern. Sie halten die Polytechnische Universität besetzt. Hongkong-Proteste: Was ist der Grund für die Demonstrationen? Beide Seiten haben immer stärker aufgerüstet. Die eingekesselten Studenten schießen mit Pfeil und Bogen, werfen mit Pflastersteinen und Molotowcocktails und schleudern Wurfgeschosse mit selbst gebastelten Katapulten auf die Polizisten. Die Polizei versprüht Tränengas, geht mit Schlagstöcken und Wasserwerfern auf die Demonstranten los. +++ Was Chinesen über die Proteste in Hongkong denken +++ Mehr als fünf Monate dauern die Proteste in Hongkong inzwischen an. Ursprünglich hatten sich die regierungskritischen Demonstrationen gegen einen inzwischen zurückgezogenen Entwurf für ein Gesetz gerichtet. Das hätte erlaubt, Verdächtige nach China auszuliefern. Doch es geht längst um mehr. Die Protestierenden fordern eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt und freie Wahlen. Bei den Demonstrationen in Central geht es am Montag friedlich zu. „Ich habe die Proteste von meinem Büro aus gesehen und bin sofort dazugekommen“, sagt ein 25-Jähriger, weißes Hemd, polierte Schuhe, Anzughose, der Tim genannt werden will. Es ist nicht sein echter Name, er arbeitet bei einer großen amerikanischen Bank, sein Chef weiß nicht, was er in seiner Mittagspause macht. Er kennt das Risiko, das er eingeht. „Wir müssen es eingehen“, sagt er, „Weil wir wissen, was richtig und falsch ist.“ Vergangenen Montag war er schon einmal da bei den Mittagspausenprotesten, wie die Demonstranten sie nennen, da hat die Polizei Tränengas verschossen. Mitten im Geschäftsviertel. Hongkong-Proteste: U-Bahn-Stationen sind dauerhaft gesperrt Die Protestierenden verlegen ihre Demos zunehmend in den Alltag der Stadt. Viele U-Bahn-Stationen sind dauerhaft gesperrt, ein wichtiger Tunnel ist seit Tagen blockiert. Überall in der Stadt sind die Kämpfe der vergangenen Monate zu sehen, verbrannter Asphalt, riesige Löcher in den Bürgersteinen, dort, wo die Protestierenden Pflastersteine rausgerissen haben. +++ Warum China so wichtig für Deutschland ist +++ Viele Geschäfte haben wegen der unsicheren Situation geschlossen, chinesische Banken und die Filialen regierungstreuer Unternehmen sind verbarrikadiert mit Spanplatten. Protestierende hatten die Geschäfte attackiert, die Scheiben kaputtgeschlagen. Am Montag geriet das Haus der britischen Großbank HSBC unter Beschuss. Zuvor hatten Medien von einem gesperrten Konto berichtet. Es war für Spenden zur medizinischen Versorgung von Demonstranten vorgesehen. Im Internet wurde die Bank beschuldigt, vor Peking eingeknickt zu sein und das Konto aus politischen Gründen geschlossen zu haben. In Central lösen Polizisten in Kampfausrüstung den Protest nach wenigen Stunden auf. Am Abend machen sich dann Hunderte Menschen, einige noch in Bürokleidung, auf in Richtung Polytechnische Universität, um die Protestierenden zu unterstützen. Einen kleinen Sieg können sie am Montag immerhin feiern. Das Hohe Gericht in Hongkong lehnt das von der Hongkonger Regierung erlassene Vermummungsverbot als verfassungswidrig ab. Doch Peking reagiert schnell – und spricht den Gerichten in Hongkong die Berechtigung ab, über die Verfassung der Sonderwirtschaftszone zu entscheiden. Die Autorin: Dana Heide ist als China-Korrespondentin für das Handelsblatt in Hongkong. Mehr China bei Orange: Was Chinesen über die Proteste in Hongkong denken Was ist da gerade in Hongkong los? Warum China so wichtig für Deutschland ist